Frage an Ulla Schmidt von Frank K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Schmidt,
es wird der Wunsch nach Reduzierung von Krankenkassen in Deutschland geäussert um die Kosten zu reduzieren. Es werden von notwendigen Einsparungen von 6-7 Milliarden jährlich gesprochen.
Die Anzahl der Krankenkassen soll sich auf max. 50 Kassen reduzieren, und/oder Mindestmitgliederzahlen von 500.000 bis 1.000.000 erreicht werden.
Hierdurch wird das kostengünstige BKK-System zugrunde gerichtet und das teuere AOK System bleibt unberührt.
Vor der Kassenöffnung wurde durch den seinerzeitigen Minister Seehofer der sogenannte RSA (Risikostrukturausgleich) geschaffen. Dieser sollte einen Finanzausgleich unter den Kassen steuern, da das AOK-System jegliche Versicherte aufnehmen musste, auch wenn dies keine direkten Beitragszahler waren.
Nach der Kassenöffnung ist diese Grundlage jedoch weggefallen, aber der RSA bleibt bis heute bestehen.
Fakt ist, dass die Haupteinzahler in diesem System die BKK´n sind mit insgesamt 8,63 Milliarden im Jahr 2007 (Quelle: Bundesamt für Statistik). Das AOK System hat 0,00 Euro eingezahlt, aber hieraus 13,38 Milliarden Euro erhalten.
Hieraus wird schnell deutlich, wo die Kosten im Gesundheitssystem verursacht werden. Wie soll hier ein gesunder Wettbewerb stattfinden? Nur das AOK-System verfolgt kostenintensive Medienarbeit im Fernsehen, Radio, Plakatierungen und hat das grösste Geschäftsstellennetz in Deutschland.
Ohne RSA Zahlungen könnte ein Grossteil der BKK´n Ihren Beitragssatz um ca. 2 Prozentpunkte senken.
Ist es richtig, dass Sie in der Vergangenheit im Aufsichtsrat der AOK tätig waren oder noch sind? Kommt es hierdurch zu einem Gewissenskonflikt, oder welche Ursache hat es, dass die Ursache nicht angepackt wird?
Sehr geehrter Herr Kaufmann,
danke für Ihre Fragen. Zunächst: Weder war ich jemals, noch bin ich bei einer oder für irgend eine Krankenkasse tätig. Und auch für die Zukunft beabsichtige ich dies nicht. Offenbar handelt es sich hier um eine interessengeleitete Legende. Tatsache ist, dass ich seit Jahren die Auffassung vertrete, dass eine erheblich geringere Zahl von Krankenkassen völlig ausreichend wäre. Selbst wenn es statt wie heute 218 Krankenkassen nur noch wenige Dutzend gäbe, könnte immer noch jeder Erwachsene sein ganzes Arbeitsleben jährlich in eine neue Kasse wechseln.
Vor 10 Jahren hatten wir noch fast 500 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland. Die Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen wurden und werden jedoch immer breiter. So sollen moderne Krankenkassen ihre Versicherten in Gesundheitsfragen umfassend unterstützen und z.B. gute Verträge für ihre Mitglieder aushandeln. Dies geht nur sinnvoll ab einer bestimmten Größe. Deswegen sind Kooperationen zwischen Kassen bis hin zu Fusionen unerlässlich. Mit der Gesundheitsreform haben wir die Kooperations– und Fusionsmöglichkeiten nochmals deutlich erweitert. Seit 1. April 2007 ist zum Beispiel die freiwillige Fusion von Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Ersatzkassen und der See-Krankenkasse auch über die Kassenartengrenzen hinweg möglich. Und auch Hindernisse bei Fusionen über Landesgrenzen hinweg wurden beseitigt.
Zum Risikostrukturausgleich: Tatsächlich wurde der Risikostrukturausgleich (RSA) mit der Öffnung der Krankenkassen für den Wettbewerb eingeführt. Allerdings nicht als Übergangslösung, sondern, um den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in sinnvolle Bahnen zu lenken. Ein System ohne RSA würde zwangsläufig dazu führen, dass sich Krankenkassen ausschließlich um Besserverdiendende und um Gesunde kümmern würden. Schlimmer noch: der Wettbewerb würde sich direkt *gegen Kranke* richten! Kassen hätten schlicht ein Interesse, Kranke oder andere schlechte Risiken los zu werden. Um eben einen solch absurden Wettbewerb, der sich gegen diejenigen wendet, für die eine Krankenversicherung da ist, zu verhindern, werden die unterschiedlichen Einkommen und Risikostrukturen der Krankenkassen ausgeglichen. Im Übrigen ist ein solcher Ausgleich auch verfassungsmäßig geboten; schließlich ist die gesetzliche Krankenversicherung *eine* Solidargemeinschaft und nicht hunderte, je nach Region oder Betrieb. Gäbe es keinen RSA wären die Beitragsspannen noch ganz erheblich größer als von Ihnen vermutet: Es gäbe Kassen mit 6-7% und andere, z.B. in den neuen Bundesländern mit weit über 20%.
Ab 2009 werden durch den Gesundheitsfonds die Finanzströme der gesetzlichen Krankenversicherung völlig neu geregelt. Informationen zur Systematik des Gesundheitsfonds finden Sie z.B. unter www.die-gesundheitsreform.de. Mit dem Gesundheitsfonds wird auch der Risikostrukturausgleich verbessert. Künftig orientiert sich dieser direkt an Krankheiten und wird dadurch deutlich genauer. Im Ergebnis wird sich besser als heute die tatsächliche Wirtschaftlichkeit einer Krankenkasse zeigen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt