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Frage von Fabian G. •

Frage an Ulla Schmidt von Fabian G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Guten Tag,

sie haben dem Postmindestlohn zugestimmt. Ist das nicht - trotz der Idee einer sozialen Marktwirtschaft - eine massive Verzerrung des Wettbewerbes? Abgesehen vom Schutz des Monopolisten, der DP AG, hat der Mindestlohn doch bisher vor allem zu einem geführt: Insolvenz weiter Teile der Pin-Group und Arbeitslosigkeit der Beschäftigten.
Ist in diesem Fall nicht einer weniger bezahlten Arbeit der Vorzug vor garkeiner Arbeit zu geben? Warum muss der Mindestlohn gesetzlich festgelegt werden und kann nicht von den Arbeitnehmer selbst durchgesetzt werden? Und warum drängt sich mir da der Verdacht auf, dass die DP AG da hervorragende Lobbyarbeit geleistet hat und sich mit Mindestlöhnen die Wettbewerber vom Hals geschafft hat?

Mit freundlichen Grüßen
Fabian Gemmecke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gemmecke,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Mit dem Thema „Mindestlöhne“ sprechen Sie eine Problematik an, die für die Zukunft der Arbeitsbeziehungen und des sozialen Klimas in unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist.

Die SPD tritt ein für einen Wettbewerb über Kreativität, Produktivität, kundenorientierte Leistungen, Qualität und Service, nicht aber für einen, der Lohndumping zur Grundlage des Geschäftsmodells macht. Wenn einige Wettbewerber mit Dumpinglöhnen arbeiten, während andere einen angemessenen Stundenlohn zahlen, werden letztlich die guten und sicheren Arbeitsplätze zerstört und prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen. Das kann in niemandes Interesse sein.

Es ist eine nicht zu akzeptierende Fehlentwicklung, dass immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrem Lohn Leistungen des Arbeitslosengeldes II in Anspruch nehmen müssen, weil sie entsprechend schlecht bezahlt werden. Geschäftsmodelle, die mit solchen Niedrigstlöhnen arbeiten und damit rechnen, dass die gezahlten Gehälter durch den Staat aufgestockt werden, beuten doppelt aus: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die für die ergänzenden Hilfen des Staates aufkommen müssen. Daher muss gelten: Menschen, die Vollzeit arbeiten, müssen davon auch leben können.

Dass Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten, wie von Ihnen vermutet, ist durch die Erfahrungen mit Mindestlöhnen widerlegt. So verfügen die meisten europäischen Nachbarländer zum Teil schon lange über gesetzliche Mindestlöhne, und das Ergebnis ist eindeutig: Nirgendwo waren Mindestlöhne schädlich für die Beschäftigung, vielmehr konnten weitere positive Effekte wie die Reduzierung der Lohnunterschiede und der Lohndiskriminierung von Frauen beobachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entwicklung bei der Pin-Group zu sehen: Die Unternehmensführung zündete mit dem Stichwort „Postmindestlohn“ eine Nebelkerze, um vom eigenen unternehmerischen Versagen abzulenken.

Der Postmindestlohn war dringend nötig, da mit dem Wegfall des sogenannten Briefmonopols zum 01. Januar 2008 der deutsche Briefmarkt für die europäischen Konkurrenten der Deutschen Post AG geöffnet wurde. Ein Wettlauf um die niedrigsten Löhne, um durch so gewonnene Preisvorteile Marktanteile zu erobern, zeichnete sich ab; eine ganze Branche drohte in den Niedriglohnsektor abzurutschen. Dies konnte durch den im Rahmen des Arbeitnehmerentsendegesetzes festgesetzten Postmindestlohn, der zuvor von den Tarifparteien ausgehandelt worden war, verhindert werden. Alle Unternehmen, auch die aus dem europäischen Ausland, müssen nun ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diesen Mindestlohn zahlen, wenn sie in Deutschland tätig sind. Das sicherzustellen war nur auf diesem Weg komplikationslos möglich. Damit findet der Wettbewerb bei Briefdienstleistungen über Qualität und Leistung und nicht über Dumpinglöhne statt – das ist soziale Marktwirtschaft.

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Schmidt