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Frage von Tim A. •

Frage an Ulla Schmidt von Tim A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Schmidt,

ich schreibe ihnen nicht bezüglich ihrer Position als Ministerin, sondern als Aachener Bürger, der bei der letzten Wahl für sie gestimmt hat. Ich hatte gehofft, sie würden die Interessen der Bürger vertreten. Mit Erschrecken musste ich jetzt aber lesen, dass auch Sie für das neue Telekommunikationsüberwachungsgesetz gestimmt haben.
Dieses Gesetz stellt alle Bürger unter Generalverdacht stellt und ein weiterer Schritt Richtigung staatlicher Totalüberwachung. Nutzen und Aufwand stehen in keinem Verhältnis, sowohl was die Abschaffung der Grundrechte angeht als auch die Kosten, die letztlich wieder der Bürger tragen muss.

Wie können sie dies mit ihrem Gewissen vereinbaren? Ist die DDR wirklich schon so weit weg? Können sie mir Gründe nennen, dass ich es mit meinem Gewissen vereinbaren könnte ihnen noch einmal meine Stimme zu geben?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Aretz,

ich kann gut nachvollziehen, dass ein Gesetz, das den Begriff „Telekommunikationsüberwachung“ im Titel führt und mit dem unter anderem Regeln für eine „Vorratsdatenspeicherung“ festgelegt werden, in der Öffentlichkeit besonders kritisch und genau unter die Lupe genommen wird. Ich unterstütze dieses wachsame und kontrollierende Auge der Bürgerinnen und Bürger. Jedoch sind Befürchtungen, wie sie in der Debatte um dieses Gesetz immer wieder genannt wurden und die auch Sie in Ihrer Frage artikulieren, meines Erachtens nicht gerechtfertigt. So trifft zum Beispiel der Vorwurf, alle Bürgerinnen und Bürger würden unter Generalverdacht gestellt, nicht zu, da – wie bisher – nur auf Grund konkreter Verdachtsmomente und nur nach einem richterlichen Beschluss in individuellen Fällen eine Telekommunikationsüberwachung angeordnet und auf die gespeicherten Daten zurückgegriffen werden kann.

Ziel des Gesetzes zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung ist es vielmehr, eine effektive Strafverfolgung so grundrechtsschonend wie möglich zu gewährleisten. Da verdeckte Ermittlungsmaßnahmen regelmäßig in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen, wurde das Telekommunikationsüberwachungsrecht rechtsstaatlich weiter eingegrenzt, so dass die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung in Zukunft noch höher liegen als aktuell.

Der Katalog der Straftaten, zu deren Aufklärung eine Telekommunikationsüberwachung angeordnet werden kann, wurde auf schwere Straftaten begrenzt: Alle Straftaten, die im Höchstmaß mit weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wurden gestrichen. Neu in den Katalog aufgenommen wurden hingegen schwere Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität (Korruptionsdelikte, schwere Steuerdelikte u.a.), Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch (Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen), Menschenhandelsdelikte sowie jede Form der Verbreitung von Kinderpornographie.

Bei der Erarbeitung der in der Öffentlichkeit besonders diskutierten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die mit der verabschiedeten Gesetzesnovelle in deutsches Recht umgesetzt wurde, ist es Deutschland in zähen Verhandlungen gelungen, gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedsstaaten die Mindestspeicherdauer auf 6 Monate anstatt der ursprünglich diskutierten 36 Monate zu beschränken.

Auch bei der Frage, welche Daten gespeichert werden, hat sich Deutschland mit seiner restriktiven Haltung durchgesetzt. So werden ausschließlich Verbindungsdaten gespeichert. Sie geben Aufschluss darüber, von welchem Anschluss aus zu welchem Anschluss hin wann und wie lange telekommuniziert wurde. Informationen, die Aufschluss zum Inhalt der Gespräche geben, werden hingegen nicht gespeichert. Das gleiche gilt bei Kommunikation über das Internet. Dabei wird lediglich protokolliert, dass eine bestimmt Internetprotokoll-Adresse (IP) zu einem bestimmten Zeitpunkt online war, nicht jedoch, welche Internetseite besucht wurde oder welchen Inhalt eine Email hatte.

Bereits heute werden viele dieser Daten von den Telekommunikationsunternehmen zu geschäftlichen Zwecken zwischen 3 bis 6 Monate gespeichert. Auch in Zukunft werden die Daten ausschließlich bei den TK-Unternehmen und nicht etwa bei staatlichen Behörden gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaft können wie bisher grundsätzlich nur dann auf diese Daten einer Person zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde.

Sehr geehrter Herr Aretz, die genannten Inhalte der Gesetzesnovelle machen deutlich, dass mit ihr keinesfalls der Weg in Richtung einer staatlichen Totalüberwachung beschritten wurde. Was mit dem Gesetz zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung ermöglicht wird ist eine effektivere Strafverfolgung bei Schwerstverbrechen, die angesichts einer gewachsenen Bedrohungslage im Bereich der Wirtschaftskriminalität, der Kinderpornographie, des internationalen Terrorismus usw. notwendig ist. Die SPD hat dafür Sorge getragen, dass die Grundrechte dabei nicht beeinträchtigt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Schmidt