Frage an Ulla Schmidt von Ursula N. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Ministerin,
"Der Starke soll den Schwachen tragen" so lautet Ihr Leitsatz. Wie ist es dann möglich, dass ich als etwas schwächlicher Mensch mit € 2.700,00 mein Gehalt voll den gesetzlichen Sozialversicherungen zur Verfügung stellen muss, andere mit deutlich höherem Einkommen jedoch nur einen Teil, da sie unglücklicherweise an der Beitragsbemessungsgrenze scheitern?
Ist es richtig, dass die Hartz IV-Empfänger in der GKV versichert sind? Wenn dies so ist, werden die PKV zu Abgaben herangezogen, um diese allgemeine gesellschaftliche Last mitzutragen?
Warum können gut verdienende Menschen sich aussuchen, ob sie privat oder gesetzlich versichert sein möchten und warum werde ich mit meinen Bruttogehalt zwangsversichert, was schlechte Rendite bedeutet?
Gerne ewarte ich Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Nurkowski
Sehr geehrte Frau Nurkowski,
danke für Ihren Beitrag. In Deutschland gibt es ein duales Krankenversicherungssystem mit gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen. In der gesetzlichen Krankenversicherung orientieren sich die Beiträge an der finanziellen Leistungsfähigkeit, in der privaten am individuellen Krankheitsrisiko. Das gegenwärtige System kennt innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung die Unterscheidung in Pflichtversicherte und freiwillige Mitglieder. Für abhängig Beschäftigte ergibt sich die Trennung durch die sogenannte Versicherungspflichtgrenze, eine Einkommensgrenze, ab der jemand freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse verbleiben kann, oder sich – bei dreijährigem Überschreiten selbiger – privat absichern kann. Solange dieses duale System mit unterschiedlicher Beitragssystematik besteht, wäre es unsinnig, die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze, also die Einkommensgrenze, bis zu der prozentuale Beiträge erhoben werden, über die Versicherungspflichtgrenze zu heben. Dies würde die Anreize, gerade besser Verdienender zum Wechsel aus der gesetzlichen Krankenversicherung ganz erheblich erhöhen. Aber selbst, wenn alle Angestellten pflichtversichert würden, wäre es zumindest strittig, ob eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze verfassungsrechtlich überhaupt möglich wäre.
Nichtsdestotrotz haben wir schon heute starke Solidarausgleiche bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Neben der in der Tat in der maximalen Höhe begrenzten Beitragsseite auch durch entsprechende Zuzahlungsgrenzen. Denn diese orientieren sich seit 2004 konsequent am Einkommen – im Übrigen sogar am Familienbruttoeinkommen.
Ein Element der Gesundheitsreform ist, dass in Zukunft Bezieher von Arbeitslosengeld II, die privat Versichert waren, auch weiterhin bei der PKV verbleiben. Diese muss künftig entsprechende Sozialtarife anbieten. Insofern ist diesbezüglich ein Ausgleich nicht mehr erforderlich.
Es ist kein Geheimnis, dass ich nach wie vor für die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems hin zu einer umfassenden Bürgerversicherung bin. Dann könnte jeder Bürger und jede Bürgerin unabhängig von Einkommen, Gesundheitszustand und Alter frei zwischen Krankenkassen oder privaten Versicherungsverträgen wählen und alle Versicherungen müssten nach den selben Spielregeln Versicherte aufnehmen und Leistungen gewähren. Bis dahin jedoch kann auf eine Begrenzung der Wahlfreiheiten – insbesondere durch die so genannte Versicherungspflichtgrenze - nicht verzichtet werden. Ansonsten würden die Systeme zum Schaden aller, insbesondere durch ein hin und her Wechseln von Gesunden, ausgenutzt.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt