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Frage von Eva P. •

Frage an Ulla Schmidt von Eva P. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Schmidt,

Obwohl ich die bisherige Gesundheitspolitik der Regierung generell befürworte, gibt es doch ein paar Fragen, die bei mir offenstehen, einerseits, weil ich mich nicht gut genug im Gesundheitswesen auskenne und andererseits, weil mir ihre persönliche Position und die Ihrer Partei dazu unbekannt sind:

1) Die Gesundheitsreformen haben zu Überschüssen bei den Krankenkassen geführt, was theoretisch zur Entlastung der Bürger genutzt werden könnte, was praktisch aber - meiner Informationslage nach - an der Misswirtschaft und den Schulden der Krankenkassen scheitert (oder sehe ich das falsch?).
Werden Sie sich in Zukunft gezwungen sehen, weitere Einschnitte in private Portemonais zu machen, oder sehen Sie Möglichkeiten, auf die Krankenkassen Druck auszuüben / die Krankenkassen zu reformieren, so dass die Bürger nach langer Zeit auch von den bisherigen Reformen profitieren können?

2) Ich als Raucherin lasse mich zwar von den freundlichen Sterbe-Hinweisen auf den Tabak-Produkten nicht aufhalten (wohl aber von den Preisen), dennoch vermisse ich Hinweise und Warnungen dieser Art auf Alkoholika und bestimmten Suchtmitteln, die als solche allgemein nicht bekannt sind (z.B. frei verkäufliche pflanzliche Einschlafhilfen, ohne die manche Menschen nicht mehr ein normales Leben führen können).
Und obwohl regelmäßiger Alkoholmissbrauch neben gesundheitlichen Schäden zusätzlich soziale und psychische Konsequenzen hat, findet man auf den Flaschen nicht einmal einen Hinweis, dass Alkohol irreversibel Hirnzellen tötet, zu Leberversagen führt, oder auch nur zur Fahruntüchtigkeit direkt nach Gebrauch. Zumindest auf Hochprozentigem sollte dies vermerkt sein.
Warum wird nur der Nikotin- nicht aber der Alkoholmissbrauch angeprangert?

3) Was sind die nächsten Ziele, die Sie in der Gesundheitspolitik anstreben?

Liebe Grüße,

eva

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Paciok,

zu ihren Fragen nehme kann ich Ihnen folgendes mitteilen:

Antwort zu Frage1:

Die gesetzliche Krankenversicherung hat im 1. Halbjahr 2005 einen Überschuss von 1,033 Mrd. € erzielt. Vor diesem Hintergrund ist durch die Gesundheitsreform im gesamten Jahr 2005 aus heutiger Sicht ein Kassenüberschuss von deutlich mehr als 2 Mrd. € zu erwarten. Damit kann die Nettoverschuldung der GKV, die Ende 2003 noch bei 6 Mrd. € lag und bereits 2004 auf 1,8 Mrd. € reduziert werden konnte, noch in 2005 vollständig abgebaut werden - auch wenn sich die Finanzsituation je nach Krankenkasse unterscheidet. Die bis Ende 2007 gesetzlich vorgesehene schrittweise Entschuldung läuft somit wesentlich schneller als erwartet. Hätte der Gesetzgeber nicht gehandelt, wären die Schulden der Krankenkassen weiter angestiegen und die Beitragssätze weiter nach oben geklettert. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) konnte dies verhindert werden. Im Laufe des Jahres 2004 haben Kassen mit rd. 28 Millionen Versicherten ihre Beitragssätze gesenkt. Von Anfang bis Mitte 2005 gab es weitere Senkungen für rd. 4 Millionen Versicherte und zum 1. Juli haben Kassen mit rd. 10 Millionen Versicherten ihren paritätisch finanzierten Beitragssatz stärker abgesenkt, als die 0,9 Prozentpunkte, die der Gesetzgeber mit der gleichzeitigen Einführung des mitgliederbezogenen Zusatzbeitragssatzes vorgegeben hatte. Von den seit Inkrafttreten des GMG bis Juli 2005 durchgeführten Beitragssatzsenkungen profitieren über 35 Millionen Versicherte, somit jeder zweite GKV-Versicherte (rd. 7 Millionen davon sogar durch mehrmalige Senkungen) auch wenn nicht alle Krankenkassen die Spielräume für Beitragssatzsenkungen ausgeschöpft haben. Die Einsparmassnahmen der Gesundheitsreform - auch die Belastungen der Versicherten durch sozial verträgliche Zuzahlungen und Leistungsbegrenzungen - waren zur finanziellen Konsolidierung der GKV und zur Stabilisierung und Senkung der Beitragssätze unverzichtbar. Jetzt sind vor allem die Krankenkassen und die Leistungserbringer gefordert, die strukturellen Maßnahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems konsequent und beschleunigt umzusetzen

Antwort zu Frage 2:

Die Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln sind durch eine EU-Richtlinie in allen EU-Staaten vorgeschrieben. Dies hat gute gesundheitspolitische Gründe. Jährlich sterben bis zu 140 000 Menschen an den Folgen des Rauchens und die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich jährlich auf etwa 18,8 Mrd.€. Rauchen ist aber ein vermeidbares Gesundheitsrisiko. Hinsichtlich des Alkoholkonsums gibt es derzeit schon in einigen EU-Ländern Warnaufdrucke auf den Flaschen alkoholischer Getränke, für Deutschland sind solche Aufdrucke nicht geplant. Anders als beim Rauchen -jede Zigarette ist gesundheitschädlich- ist der mäßige Genuss von Alkohol für einen gesunden Erwachsenen risikoarm. Gleichwohl gibt der Alkoholkonsum insgesamt in Deutschland auch Anlass zur Sorge und stellt zusammen mit dem Rauchen einen Schwerpunkt in der Suchtprävention des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung dar.

Wegen der Vorliebe junger Menschen für die so genannten „Alkopops“ und der sich daraus für diese Personengruppe ergebenden besonderen Gefährdung wurde der Hinweis „Abgabe an Personen unter 18 Jahren verboten, § 9 Jugendschutzgesetz“ auf den „Alkopops“ eingeführt. Seit Anfang August 2004 wird auf spirituosenhaltige Alkopops eine Sondersteuer erhoben. Die Bundesregierung hat am 26. Juli 2005 einen Bericht über die Auswirkungen des Alkopopsteuergesetzes auf den Alkoholkonsum von Jugendlichen unter 18 Jahren vorgelegt. Nach den bisher ge­wonnenen Erkenntnissen ist der Konsum der Alkopops drastisch gesunken. Während vor der Erhebung der Sondersteuer im August 2004 noch 28 % aller 12- bis 17-Jährigen mindestens einmal im Monat spirituosenhaltige Alkopops konsumiert haben, sind es aktuell noch 16 %. Ein Drittel der Jugendlichen, die vorher schon mal Alkopops gekauft haben, kaufen jetzt überhaupt keine mehr. Ein Drittel kauft weniger. Die Jugendlichen nennen als Hauptgrund für diese Entwicklung die Preiserhöhung. Der Rückgang findet sowohl bei weiblichen als auch männlichen Jugendlichen statt.

Antwort zu Frage 3:

Der aktuelle Erfolg der zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesundheitsreform hat den Spielraum verschafft, der benötigt wird, um die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfest zu machen und die Herausforderungen der demografischen Entwicklung sowie des medizinischen Fortschritts zu meistern, sie aber auch wettbewerblich noch effizienter zu gestalten.
Dabei muss das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten bleiben. Die Wahlmöglichkeit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung für Einkommen jenseits der Versichertenpflichtgrenze wird als ungerecht empfunden, weil sich Gutverdienende der Solidarität entziehen können. Deshalb wollen die die Bundesregierung tragenden Koalitionsparteien die Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln. Jeder Bürger, auch Beamte, Selbständige und nicht zuletzt Gutverdiener sollen in die solidarische Krankenversicherung einbezogen werden. Jeder soll entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zahlen. Deshalb sollen auch andere Einkünfte, insbesondere Kapitaleinkommen, zur Beitragsbemessung herangezogen werden.

Die beitragsfreie Familienmitversicherung soll erhalten bleiben. Bei den Erwerbseinkommen will die Bürgerversicherung an der bewährten paritätischen Finanzierung festhalten. Jede Kasse, ob gesetzlich oder privat, soll jeden ohne Ansehen des Risikos versichern müssen. Das von den Unionsparteien vorgelegte Modell einer "Gesundheitsprämie" ist dagegen ungerecht. Es bezieht die Besserverdiener ebenso wenig ein wie die sonstigen Einnahmen der Versicherten und belastet durch die pauschalierte Kopfprämie Versicherte mit geringem Einkommen relativ höher als die Gutverdiener. Überdies ist völlig unklar, woher die Steuermittel für den vorgesehenen Solidarausgleich und die Kinderprämie in zweistelliger Milliardenhöhe kommen sollen. Ohne massive Einschnitte in den GKV-Leistungs-Katalog und weitere Steuererhöhungen wird sich die Finanzierungslücke der Kopfpauschale nicht schließen lassen.

Zu einer nachhaltigen Verbesserung der Finanzierung unseres Gesundheitssystems muss aber auch die Ausgabenseite der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin beitragen. Dabei geht es insbesondere darum, durch strukturelle Maßnahmen den Wettbewerb in der medizinischen Versorgung mit dem Ziel der Qualitäts- und Effizienzsteigerung weiter zu fördern und den weiteren Abbau von Unter-, Über- und Fehlversorgung voranzutreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Ulla Schmidt