Frage an Ulla Schmidt von Hans-Gerd G. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Schmidt,
als Mitglied im Arbeitskreis Trennung/Scheidung der Stadt Aachen und gleichzeitig betroffener Vater waren die Ergebnisse der Studie von Professor Dr. Andreß, die in der Broschüre und dem Flyer "Wenn aus Liebe rote Zahlen werden" des BMFSF zusammengefasst wurden, für mich sehr interessant.
Kaum einer, der es nicht selber erlebt hat, kann sich vorstellen, wie furchtbar es ist, nicht am Alltag seiner Kinder teilzunehmen, wenn man nicht mit den Kindern zusammen wohnt. Umso schlimmer ist es, wenn man - teilweise über Jahre hinweg - die Kinder gar nicht mehr sieht.
Bis heute gibt es leider nur wenige Richter, die den Mut haben, dem Elternteil die Grenzen aufzuzeigen, bei dem die Kinder wohnen. In einem Artikel im Münchener Merkur vom 13.10.03 äußerte ein Richter sich dazu folgendermaßen: "Natürlich haben die Väter auch Rechte wie Pflichten, aber das steht alles nur auf dem Papier." ... "Das ist die Ohnmacht eines jeden Familienrichters. Wenn eine Frau nicht will, kann man nichts machen."
Unverständlich, wo doch durchaus rechtliche Grundlagen (z. B. §52a FGG) vorliegen, um diesem Verhalten zum Wohle der Kinder entgegenzuwirken.
Daher nachfolgend meine Fragen:
1. Sollte nicht auch die Position des Elternteils gestärkt werden, das nicht über das Aufenthaltsbestimmungsrecht verfügt (in der Regel meistens Väter), damit dieses Elternteil nach einer Scheidung oder Trennung nicht rechtlos auf der Straße steht und noch nicht mal zusehen kann, wie die eigenen Kinder aufwachsen ?
2. Wie kann erreicht werden, dass das (durch Gerichtsurteil oder Vergleich) zugesicherte Umgangsrecht nicht ausgehebelt wird und damit in vielen Fällen ein Schaden für die Kinder vermieden wird ? - Denn: Kinder, die keinen Kontakt mehr zum Vater haben, neigen eher zu Drogenmissbrauch, sind eher selbstmordgefährdet und brechen häufiger die Schule ab.
3. Wie stehen Sie bzw. die SPD zur „Cochemer Praxis“ ?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Gerd Gerhards
Sehr geehrter Herr Gerhards,
die gemeinsame Sorge beider Eltern hat für mich Vorrang vor allen anderen Lösungen, weil dieser Weg für das Kind am besten ist. Die Möglichkeiten dafür sind mit der Reform des Kindschaftsrechts und der Schaffung einer Übergangsregelung für so genannte „Altfälle“ verbessert worden. Im Alltag kann es aber passieren, dass die Probleme zwischen den Partnern verhindern, dass es zu einer solchen einvernehmlichen Lösung kommt.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es sehr schwer ist, wenn die Trennung dazu führt, dass ein Elternteil das Aufwachsen des eigenen Kindes nur in geringem Umfang miterleben kann. Auch für ein Kind ist es am Besten, wenn es mit seinen beiden Eltern Umgang hat. Aus diesem Grund hat nach einer Scheidung das Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt und sich ständig aufhält, das Recht auf regelmäßigen Umgang. Das gleiche gilt, wenn die Eltern nicht verheiratet waren. Klar ist auch, dass keine gesetzliche Regelung so gut sein kann, wie eine am Wohl des Kindes orientierte einvernehmliche Regelung beider Elternteile.
Die Umsetzung des kindlichen Umgangsrechts scheitert bisher leider in vielen Fällen an der ablehnenden Haltung des betreuenden Elternteils.
Das wollen wir ändern: Wir wollen die Vollstreckbarkeit des Umgangsrechts verbessern, damit betroffene Elternteile und ihre Kinder zu ihrem Recht kommen und sich wirklich sehen können: Das den Umgang verweigernde betreuende Elternteil soll künftig detailliert nachweisen müssen, warum es an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war. Anstelle des bisherigen Zwangsgeldes sollen die Gerichte ein Ordnungsgeld anordnen können, das auch Sanktionscharakter hat: So kann ein Ordnungsgeld – anders als das bisherige Zwangsgeld – auch im Nachhinein verhängt werden. Außerdem wollen wir die so genannte Umgangspflegschaft stärken.
Einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) haben wir bereits erarbeitet. Aufgrund der Neuwahlen haben wir den Gesetzentwurf in dieser Wahlperiode nicht mehr in den Bundestag einbringen können. Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode werden wir das tun.
Bei einem Familienkonflikt alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und mittels Mediation nach einer einvernehmlichen Lösung der Interessenkonflikte zu suchen, ist ein richtiger Ansatz. Es gibt aber Konstellationen, in denen ein konstruktives Miteinander der ehemaligen Partner nicht mehr möglich ist. Wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, sich zu einigen, ist eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Einige Elemente des Cochemer Modells haben wir in den bereits erwähnten FGG-Gesetzentwurf aufgenommen: Z.B. soll das Gericht auf eine einvernehmliche Regelung hinwirken und in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit der Mediation hinweisen. Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder seine Herausgabe betreffen, sollen vom Familiengericht vorrangig durchgeführt werden. Der erste Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Ulla Schmidt