Frage an Ulla Schmidt von Matthias A. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Schmidt,
sieht die Bundesregierung tatsächlich 11.000 € Strafe für jeden Selbständigen vor, der ins Angestelltenverhältnis zurückkehrt?
Dies ist der Betrag den er für eine Anwartschaft auf seine private Krankenversicherung zahlen muß, um sich die seine Altersrückstellungen zu erhalten solange er erneut den Dreijahreszeitraum in der gesetztlichen Krankenversicherung ausharren muß.
Auch zuvor langjährig privatversicherte Angestellte, die das Wagnis der Selbständigkeit auf sich nehmen müssen laut Krankenkassen bei einer Rückkehr ins Angestelltendasein auch bei hohem Einkommen automatisch zunächst für drei Jahre zurück in die gesetzliche Krankenversicherung.
Möchte die Bundesregierung mit der entsprechenden Regelung des §6 SGBV Abs. (1) Satz 1 jegliche Existenzgründung zusätzlich erschweren, da bei Fehlschlagen Nachteile durch dreijährige Zwangsversicherung in der GKV in Kauf genommen werden müssen?
Oder entspricht diese Auslegung, wie sie von den gesetzlichen Krankenkassen vertreten wird, so gar nicht dem Willen des Gesetzgebers?
Dann sollte der Gesetzgeber gegenüber den Krankenkassen klarstellen, dass er Existenzgründer und Selbständige genauso unterstützt wie flexible Angestellte indem er ihnen bei einem Stellenantritt unter Voraussetzung des Fortbestandes eines hohen Einkommens die Möglichkeit zum Verbleib in der Privaten Krankenversicherung ermöglicht.
Die Dreijahresregelung darf nicht, wie von den Krankenkassen behauptet, bei jedem Wechsel von Selbständigkeit zur Anstellung von vorne beginnen. Schon gar nicht, wenn der Selbständige zuvor bereits einmal über drei Jahre auch als Angestellter ein Einkommen über der Beitragsgrenze hatte.
Wie ist Ihre Einschätzung zu der gesetzlichen Dreijahresregelung und deren Interpretation durch die Kassen? Läuft das alles so wie geplant?
Sehr geehrter Herr Arnold,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Gesetzgeber bezweckt mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung, das rückwirkend zum 2. Februar 2007 (3. Lesung im Bundestag) in Kraft trat, das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig zu stärken.
In der gesetzlichen Krankenversicherung findet ein umfassender Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken, Alten und Jungen, Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Familien mit Kindern statt. Die Finanzierung dieses sozialen Ausgleichs kann aber nicht allein von den Begünstigten des Ausgleichs aufgebracht werden. Der Gesetzgeber hat daher mit der Neuregelung den Personenkreis der Versicherungspflichtigen so erweitert, wie dies für die Begründung und den Erhalt einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist.
Die bisherige Regelung, wonach ein Wechsel abhängig Beschäftigter von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung schon dann möglich war, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze im abgelaufenen Kalenderjahr und zu Beginn des aktuellen Kalenderjahres überstieg, hat sich als nicht ausreichend erwiesen, die Funktionsfähigkeit des Solidarausgleichs zu gewährleisten. Mit der Neuregelung werden nun abhängig Beschäftigte erst dann versicherungsfrei, wenn ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen hat und auch die im aktuellen Kalenderjahr geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt. Erst danach können sie sich für eine private Absicherung ihres Krankheitsrisikos entscheiden. Diese Entscheidung ist bei unveränderten Lebensverhältnissen dauerhaft und beendet damit die Solidarität mit den gesetzlich Krankenversicherten.
Von der Neuregelung ausgenommen sind Personen mit Bestandschutz (Personen, die am 2. Februar 2007 als Arbeitnehmer privat versichert waren bzw. sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit oder Ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gekündigt hatten, um sich privat zu versichern); das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2009 (1 BvR 706/08) die Rechtmäßigkeit des Bestandschutzes ausdrücklich bestätigt (RdNr. 151).
Für Personen, die wieder in der GKV versicherungspflichtig werden, besteht die Möglichkeit, Ihre private Krankenversicherung ruhen zu lassen. Sie können dann eine Anwartschaftsversicherung abschließen, mit der Sie sich bestimmte Rechte aus Ihrer privaten Krankenversicherung für einen späteren Zeitpunkt bewahren können. Beim Wiederaufleben der Leistungen Ihrer privaten Krankenversicherung sind dann entweder zwischenzeitlich aufgetretene Krankheiten in den Versicherungsschutz einbezogen (kleine Anwartschaft) oder zusätzlich auch Alterungsrückstellungen aufgebaut worden (große Anwartschaft). Durch eine Anwartschaftsversicherung lassen sich folglich - anders als bei einem Neuabschluss - Wartezeiten, eine erneute Gesundheitsprüfung sowie ein höheres Eintrittsalter und ein damit verbundener höherer Beitrag vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt