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Frage von Achim L. •

Frage an Ulla Schmidt von Achim L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Schmidt,

hier eine Meldung von Herrn Müntering: Zitat: Abweichler? Die gibt es nicht, sagt SPD-Chef Müntefering und verspricht: Alle SPD-Wahlleute werden in der Bundesversammlung Schwan wählen – bis zum Sieg. Zitat Ende: Quelle: http://www.focus.de/politik/deutschland/muentefering-ueber-schwan-durchwaehlen-bis-sie-gewonnen-hat_aid_396010.html

Was ist das für ein Demokratieverständnis? Kann ein Abgeordneter nicht nach seinem Gewissen abstimmen? Ist der Fraktionszwang höher zu werten als die persönliche Meinung eines Abgeordneten?

Ich bin sehr auf Ihre Meinung gespannt.

Mit freundlichen Grüßen
Achim Lürken

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lürken,

der richtige Adressat für Ihre Frage ist Franz Müntefering. Ich will Ihnen aber gern aus grundsätzlicher Sicht antworten:

1. Im Bundestag gibt es keinen Fraktionszwang – er wäre auch grundgesetzwidrig, da Abgeordnete als Vertreter des gesamten Volkes "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind (Artikel 38 Grundgesetz).

Allerdings – und das wird in öffentlichen Debatten gern verwechselt – hat sich in der SPD-Bundestagsfraktion, wie auch in den anderen Fraktionen, die Fraktionsdisziplin, die nicht bei Gewissensentscheidungen (zum Beispiel Patientenverfügung, Afghanistaneinsatz der Bundeswehr) greift, bewährt. Die Fraktionsdisziplin ist meines Erachtens auch notwendig, damit die Arbeits- und Handlungsfähigkeit der Regierung sichergestellt wird. Denn vor dem Hintergrund der vielschichtigen und komplexen Themen, die im Bundestag beraten werden, sind die Abgeordenten bei ihrem Abstimmungsverhalten auf das Expertenwissen und die Empfehlungen ihrer fachlich zuständigen und versierten Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Wenn dann in der Fraktion nach intensiven Diskussionen über ein Sachthema ein Kompromiß gefunden und mehrheitlich gebilligt wird, dann sollte dieser Kompromiss im Parlament auch von allen Fraktionsmitgliedern mitgetragen werden. Entscheidend ist nicht, ob man in der einen oder anderen Frage sich anders positioniert, sondern dass nach intensiver Beratung das Mehrheitsvotum respektiert wird. So funktioniert Demokratie.

2. Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, die ja nicht nur aus den 612 Mitgliedern des Bundestages sondern auch einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Länderparlamenten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Das müssen keine Mitglieder der Landtage sein. Gewählt werden häufig auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie z.B. Künstler und Sportler, die sich wohl schwerlich in einen wie immer gearteten Zwang einbinden, wohl aber von einer geeigneten Kandidatin/einem Kandidaten überzeugen lassen. Was das Abstimmungsverhalten der SPD-Bundestagsfraktion anbetrifft, setzt Franz Müntefering allerdings – sollte die zitierte Äußerung so gefallen sein - nach meinem Verständnis zu Recht auf die interne Geschlossenheit und Solidarität seiner Fraktion, nachdem in einem intensiven Diskussionsprozess die Entscheidung für eine eigene Kandidatin gefallen ist.

Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt