Frage an Ulla Lötzer von Jochen H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Lötzer,
als Fahrradfahrer fühle ich mich durch die Abwrackprämie für Autos stark diskriminiert, weil ich von diesem Wahlgeschenk naturgemäß nichts abbekommen werde. Können Sie helfen?
Mit freundlichem Gruß,
J. Herkenrath
Sehr geehrter Herr Herkenrath,
die Abwrackprämie ist ökonomisch fragwürdig, ökologisch unsinnig und sozial ungerecht. Sie ist ökonomisch fragwürdig, weil die Probleme der Automobilindustrie dadurch nur in die Zukunft verschoben, aber nicht gelöst werden. Die Verlängerung der Prämie zeigt, dass die Bundesregierung die Autoindustrie damit nur an einen Tropf gelegt hat, den sie gar nicht mehr entfernen kann ohne den Patienten insgesamt zu gefährden. Die Branche befindet sich aber in einer strukturellen Krise, ausgelöst durch Überproduktion, Nachfragerückgang und die reine Ausrichtung an kurzfristigen Renditen.
Ökologisch unsinnig ist die Prämie, weil sie die Nutzer umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Sie als Fahrradfahrer benachteiligt. Auch innerhalb des Verkehrsträgers Auto gibt es keinerlei ökologische Lenkungswirkung. Der tatsächliche CO2-Ausstoss eines Neuwagens wird nicht berücksichtigt und so auch Spritschlucker subventioniert werden. Die Entwicklung umweltfreundlicher Fahrzeuge und Verkehrssysteme ist in Deutschland weitgehend verschlafen worden. Doch statt die Abwrackprämie zu nutzen, um Impulse für den notwendigen ökologischen Wandel in der Automobilindustrie zu setzen, wird lediglich der Status Quo zementiert.
Schließlich ist die Prämie sozial ungerecht, weil die Abwrackprämie nur denjenigen zugute kommt, die sich ein neues Auto leisten können und z.B. nach wie vor nicht an Hartz IV-Bezieher ausbezahlt werden soll ? und das, obwohl inzwischen sogar der Präsident des Bundessozialgerichts die Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung in Frage stellt.
Statt einer Abwrackprämie, die zum Kauf von Autos verleiten soll brauchen wir einen grundlegenden Strukturwandel in der Automobilindustrie ein. Wir schlagen einen Zukunftsfonds von 100 Milliarden Euro vor, der sich an den Unternehmen der Automobilindustrie aber auch an denen anderer Branchen beteiligen und einen sozialen und ökologischen Strukturwandel unterstützen soll. Über die Geschäfte dieses Fonds soll demokratisch von Vetretern der Beschäftigten, Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden, Gebietskörperschaften und Unternehmen gemeinsam entschieden werden.
Mit freundlichem Gruß
Ulla Lötzer