Frage an Ulla Jelpke von Stefan S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Jelpke,
bevor ich Ihnen meine Fragen stelle möchte ich vorab um eventuelle Missverständnisse vorzubeugen einige Angaben zu meiner Person machen.
Ich selbst bin seit über 10 Jahren freiwillig bei der Bundeswehr. Ich bin ein entschiedener Anhänger des Grundgesetzes und lehne ganz ausdrücklich Extremismus von allen Seiten ab. Ich halte Parteien wie die NPD für verbrecherisch.
Ich finde es aber äußerst merkwürdig dass es Persönlichkeiten des Bundestages gibt, unter anderem auch Sie, die persönlich, die Bundeswehr von dem alltäglichen Leben abschneiden wollen. Warum wollen Sie die Armee der Demokratie in der Kaserne verbannen? Die bisher einzigste militärische Institution in der Geschichte Deutschlands die sich audrücklich für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit einsetzt soll von der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Warum?
Wieso sollen sich diejenigen, die sich per Gelöbnis für die Grundrechte der Demokratie einsetzen und Intolleranz ablehnen in die Kasernenhöfe zurückziehen? Wo sonst gibt es ein ähnlich starkes Bekenntnis junger Menschen zu unserer Verfassung und den Grundideen der Menschenrechte? Im Gegensatz zur Wehrmacht, zur NVA und zur Stasi werden bei der Bundeswehr keine militaristischen Ideale verhamlost. Unsere Kinder werden im Gegensatz zur Nationalen Volksarmee nicht zu gewissenlosen Republikjägern und Mauerschützen erzogen. Vielmehr werden die Ideale der Demokratie und der Grundrechte verteidigt.
Warum also diese Ihre Haltung?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mfg
Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
eines will ich Ihnen vorab versichern: Mein Votum gegen öffentliche Gelöbnisse hat nichts damit zu tun, dass ich ein generelles und pauschales Misstrauen gegen sämtliche Angehörige der Bundeswehr empfinde.
Ich empfinde aber ein großes Misstrauen gegen die Führung der Bundeswehr. Seit 1990 wird sie Schritt für Schritt umgebaut. Um die "Verteidigung", die ja Gegenstand des Treuebekenntnisses beim Gelöbnis ist, geht es doch schon lange nicht mehr. Es geht darum, jederzeit und überall interventionsfähig zu sein. Spätestens seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jugoslawien wissen wir, dass wir den Bekenntnissen der Politik (aber auch der Bundeswehrgeneralität), sich stets an Grundgesetz und Völkerrecht zu halten, nicht trauen dürfen.
Die Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik - und auch militärischer Dienststellen - für den Angriff der USA auf den Irak sind vom Bundesverwaltungsgericht ebenfalls für "zweifelhaft" erklärt worden.
Vor einem Jahr erst wurde die Bundeswehr zur Hilfspolizeitruppe anlässlich des G8-Gipfels.
Was nun das Gewissen oder die "Gewissenlosigkeit" angeht, so muss ich leider feststellen, dass sich nur sehr wenige Bundeswehrangehörige den Zumutungen ihrer Führung verweigern. Namentlich bekannt sind mir nur Oberstleutnant Rose und Major Pfaff, darüber hinaus gibt es immer wieder einige Grundwehrdienstleistende, die kurz nach Dienstantritt ihre Kriegsdienstverweigerung erklären und/oder eigenmächtig abwesend bzw. fahnenflüchtig werden. Ich will das nicht allzu moralisierend behandeln (Soldaten sind potentielle Arbeitslose), aber diese Tatsache lässt mir öffentliche Militärzeremonien nicht angebrachter erscheinen.
Um es zusammenzufassen: Das was die Bundeswehr derzeit unternimmt, bzw. das, was die Politik mit ihr unternimmt, hat mit dem Verfassungsauftrag nicht mehr viel zu tun. Und da gibt es dann für mich nichts zu feiern. Abgesehen davon finde ich solche mythisch überhöhten Rituale in einer Demokratie ohnehin deplatziert. Wenn die Bundeswehr dennoch in die Öffentlichkeit geht, muss sie auch mit öffentlicher Kritik leben. Das geht mir ja im Prinzip nicht anders.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Jelpke