Warum haben Sie gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan gestimmt?
Sehr geehrte Frau J.
ich schätze Ihre politische Weltanschauung und bewundere und achte Ihr politisches Engagement. Nichtsdestotrotz bleibt mir Ihre Stimme gegen den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan rätselhaft. Hätte Ihre Entscheidung am 25. August nicht zur Folge gehabt, dass wir die deutschen Staatsangehörigen und afghanischen Ortskräfte in Afghanistan im Stich gelassen hätten? Ich frage mich daher ernsthaft nach Ihren Motiven mit einem ,,Nein" gestimmt zu haben und wäre für eine Antwort sehr dankbar!
Mit freundlichen Grüßen
Onur
Sehr geehrter Herr Y.,
danke für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Auf meiner Homepage habe ich eine ausführliche persönliche Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten eingestellt, gemeinsam mit den sechs anderen „Dissidenten“ der Linksfraktion.
Ergänzend möchte ich hinzufügen:
Ich bin angetreten mit dem Versprechen, gegen jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr zu stimmen. So steht es auch im Programm der LINKEN. Ich bedauere, dass dieses Versprechen von der Mehrheit meiner Fraktion nicht stärker berücksichtigt wurde. Wenn sie anfängt, jeden Auslandseinsatz gesondert für sich zu betrachten, landet sie dort, wo die Grünen schon längst stehen: Mal für, mal gegen einen Militäreinsatz, aber die grundsätzliche Absage an eine militärisch forcierte Außenpolitik wäre Vergangenheit. Diesen Weg wollte ich nicht einschlagen.
Zu dieser grundsätzlichen Überlegung kommen sehr konkrete: Der Einsatz der Bundeswehr als bewaffneter Macht war nicht nötig, um die Evakuierungen – die ich als solche für unbedingt notwendig halte – durchzuführen. Es war doch die ganze Zeit klar, dass der weitere Betrieb des Kabuler Flughafens mit den Taliban abgesprochen war. Deren Zustimmung wurde ihnen nicht erst von der Bundeswehr abgezwungen.
Die größte Herausforderung für die Evakuierungsoperation bestand in der Bewältigung des logistischen und organisatorischen Chaos. Dazu braucht es aber keine Soldaten mit Sturmgewehren. Da hätte man beispielsweise auch die GSG 9 entsenden können.
Ich bin der festen Meinung, dass die Entsendung der Bundeswehr nicht nötig war, um die Evakuierungen durchzuführen, sondern lediglich ein Manöver darstellten, um den Bundestag in die Pflicht zu nehmen, und der Bundeswehr möglichst noch ein paar publicityträchtige Bilder zu verschaffen. Es sollte dafür gesorgt werden, dass wenigstens dieser Einsatz als Erfolgsgeschichte verkauft werden kann. Das war nicht zuletzt auch Teil des Wahlkampfs.
Da sage ich dann allerdings: Nicht mit mir.
Freundliche Grüße
Ulla Jelpke