Frage an Ulla Jelpke von Felix J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Jelpke,
wie stehen Sie zu linksextremen Gruppen.
Sind diese aus Ihrer Sicht weniger schlimm wie rechtsextreme Gruppen?
Wieso sollte es keine Gleichberechtigung bei der Verfolgung von linksextremen und rechtsextremen geben?
Ist Gewalt nicht Gewalt, oder ist es weniger schlimm wenn es von Ihrem Klientel ausgeht.
Müsste hier nicht nur der Tatbestand oder der Schutz der Bevölkerung beachtet werden.
Ich selbst habe erlebt wie eine Gruppe von linksextremen Menschen, mit handgroßen Steinen, auf einen Bus geworfen haben und es dann rechtsextremen in die Schuhe geschoben haben.
Sehen Sie hier nicht auch eine Gefahr für Ihre Partei, dass die Menschen Ihre Partei mit den linken Gewalttätern, die vor Einkaufsläden betteln und Menschen bedrohen um Geld zu bekommen, oder Häuser besetzen und diese verunstalten, verbinden.
Ich finde es gut und richtig, dass gegen die Rechtsextremen hart vorgegangen wird und würde es noch besser finden, wenn auch besser gegen die Reichtsbürger vorgegangen werden würde.
Ich habe jedoch das Gefühl, dass die rechte Szene durch die starke Medialität sich bestärkt fühlt.
Zudem werden deutsche Bürger oft grundlos als Nazis bezeichnet. Wenn man jemanden jeden Tag sagt, dass er ein Dieb oder ähnliches sei, steigt die sinkt die Hemmschwelle etwas zu klauen.
Wie stehen Sie zu folgender Aussage.
Die deutsche Regierung sollte deutlich sagen, dass die jetztige Generation nicht unter Hitler gedient hat und nicht am 2ten Weltkrieg beteiligt war. Zudem sollte zum Schutz der Polizei (auch wenn ich selbst mit der Polizei negative Erfahrungen gemacht habe) gegen jegliche Gewaltgruppen (ob rechts, links, terroristisch, organisiert, geschlechtsübergreifend oder was auch immer) HART vorgegangen werden. Und zwar HÄRTER als gegen Steuerhinterziehung.
Gewalt (besonders Mord, Vergewaltigung und Missbrauch von Kindern) sollten die am härtesten bestraften Taten sein.
Sehr geehrter Herr J.,
gerne beantworte ich Ihr Schreiben. Ich lehne allerdings schon den vom Verfassungsschutz geprägten Begriff „Linksextremismus“ ab. Denn damit wird eine unzulässige Gleichsetzung zwischen faschistischen sog. „Rechtsextremen“ und der antifaschistischen Linken vorgenommen.
Rund 200 Todesopfern rechter und rassistischer Gewalt in Deutschland seit 1990 stehen in diesem Zeitraum vier Todesopfer durch linke Gewalt gegenüber.
Hier finden Sie eine Übersucht: https://katapult-magazin.de/de/trockne-zahlen/trockne-zahlen/fulltext/gegenueberstellung-politisch-motivierter-gewalt/
Schon diese Fakten zeigen, wie absurd es ist, hier eine Gleichsetzung der Gewalt von Rechts und Links zu betreiben. Auch aus inhaltlichen Gründen verbietet sich eine Gleichsetzung. Antifaschistische und antikapitalistische Linke treten für soziale Gleichheit und demokratische Reche für alle, die hier leben ein. Sie wollen Banken und Konzerne entmachten, um eine solidarische Gesellschaft jenseits des Profitprinzips zu schaffen. Faschistische Rechte gehen dagegen von einer Ungleichwertigkeit der Menschen aus, sie wollen ganzen Bevölkerungsgruppen die Grundrechte entziehen und die Demokratie insgesamt abschaffen. Während Linke ungerechte Zustände beenden wollen, treten Rechte nach unten, die Opfer ihrer Gewalt sind Schwächere wie Flüchtlinge und Obdachlose.
Grundsätzlich bin ich der Auffassung: Gewalt darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein – egal, von wem diese ausgeht. Ich halte es dabei aber mit dem Dichter Bertolt Brecht, der in seinem Gedicht „Über die Gewalt“ schrieb:
„Der reißende Strom wird gewalttätig genannt
Aber das Flußbett, das ihn einengt
Nennt keiner gewalttätig“
Wir sollten also nach den sozialen Ursachen von Gewalt fragen. Und wir sollten dabei die Gewalt des Staates nicht aus dem Blick verlieren. Ich habe aber oft genug selbst miterlebt, wie die Polizei friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten attackiert hat. Oftmals dient die Polizeigewalt lediglich Profitinteressen. Ich erinnere an die vielen Tausend eingesetzten Polizisten bei der Räumung alternativer Hausprojekte in Berlin. Menschen – zumal mitten in einer Pandemie - aus ihren Wohnungen auf die Straße zu setzen, damit dort teure Luxuswohnungen für den Profit von Briefkastenfirmen im Ausland entstehen können, ist auch eine Form der Gewalt. Und es gibt ja nicht nur solche spektakulären Räumungen. Vielmehr werden allein in Berlin jedes Jahr mehrere Tausend Menschen aus ihren Wohnungen geworfen – auch dies ist ein Beispiel für staatlich sanktionierte Gewalt (https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/zwangsraeumung-in-berlin-bedroht-rentner-arme-psychisch-kranke-li.1848).
Besondere Gesetze zum Schutz von Polizeibeamten brauchen wir aber wirklich nicht – Angriffe auf Polizisten sind bereits jetzt strafbar, während es umgekehrt so gut wie keine Chance gibt, Polizisten wegen willkürlicher Gewalt vor Gericht zu bringen. Stattdessen sollte die Polizei – wie durch das neue Berliner Versammlungsgesetz – zur Deeskalation bei Demonstrationen verpflichtet werden. Damit würde schon viel Konfliktpotential entfallen. DIE LINKE fordert zudem eine Identifizierbarkeit von Polizisten durch Dienstnummern, damit sich Opfer von missbräuchlicher Polizeigewalt juristisch wehren können.
Dass Eigentumsdelikte in unserem System vielfach schärfer bestraft werden als Gewaltdelikte ist übrigens eine direkte Folge der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in der Eigentum und Profit vor Leben und Gesundheit gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke