Frage an Ulla Jelpke von Armin S. bezüglich Innere Sicherheit
Hallo Frau Jelpke,
ich hatte neulich eine Angelegenheit bei einer Einwohnermeldestelle hinter mich gebracht und habe hier erfahren, daß bei der mittlerweile vereinfachten Anmeldung eines Wohnsitzes keine Bestätigung des Vermieters bzw. Wohnungseigentümers mehr gefordert wird.
Das heißt doch, daß sich z.B. Kriminelle sich ungeprüft mit unserer Anschrift als deren Wohnsitz anmelden können und unsere Anschrift dann Teil einer kriminellen Szene werden könnte.
Ich möchte nicht durch die Meldebehörden in den Fokus von Kriminellen geraten bzw. von Sonder-Kommandos "besucht" werden .... ungefähr so, wie es in der Süddeutschen Zeitung neulich berichtet wurde.
Noch bedenklicher ist, daß die auf den Personalausweisen ausgewiesenen Daten komplett unkorrekt, d.h. wertlos sein können!
Und das Ganze passiert im Kontext der Einschränkung von Bürgerrechten durch die Gesetzgebung für die Terrorbekämpfung, wobei das neue Meldegesetz diese Bekämpfung auch noch unterminiert !!
Sehen Sie hier noch die Möglichkeit was zu ändern??
Mit freundlichen Grüßen
A. Steinhoff
Sehr geehrter Herr Steinhoff,
vielen Dank für Ihre Frage. Nach Rücksprache mit unserem Fachpolitiker für Datenschutz, Jan Korte, kann ich Ihnen folgende Antwort übermitteln:
Ich verstehe zwar Ihre Befürchtungen und den Wunsch, nicht in den Fokus von Kriminellen zu geraten bzw. von Sonder-Kommandos der Polizei "besucht" zu werden, möchte hier aber vor einer falschen Reaktion warnen:
Die von Ihnen angesprochene Vermieterbescheinigung für eine Um- oder Anmeldung war bereits in früherer Zeit im Melderechtsrahmengesetz enthalten, wurde aber im Jahre 2002 abgeschafft. Und dies aus guten Gründen. In der Gesetzesbegründung hieß es damals dazu: „Mit der Abschaffung [...] zieht der Gesetzgeber die Konsequenz aus den Erfahrungen der meldebehördlichen Praxis, wonach die Vermietermeldepflicht von den Bürgerinnen und Bürgern als lästig empfunden werde, zu Verzögerungen bei dem Meldeprozess führe, aber nur in den wenigsten, von der Zahl her zu vernachlässigenden Fällen geeignet sei, beispielsweise Scheinanmeldungen zu verhindern.“ Seit 2002 konnten sich Bürgerinnen und Bürger also unter einer bestimmten Adresse anmelden, ohne der Behörde nachweisen zu müssen, dass sie auch tatsächlich dort leben.
Der Deutsche Bundestag hat nun am 28. Juni 2012 ein neues Melderecht beschlossen, das die im Regierungsentwurf enthaltenen Datenschutzbestimmungen deutlich verschlechtert hat und zum Teil sogar hinter dem bereits geltenden Recht zurückbleibt. Das neue Gesetz sieht außerdem nunmehr in § 19 eine Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei der Ab- und Anmeldung des Meldepflichtigen vor. Hierfür muss der Vermieter den Ein- oder Auszug schriftlich oder elektronisch innerhalb von zwei Wochen bestätigen. Anzugeben sind der Name und die Anschrift des Vermieters, das Datum des Ein- oder Auszugs, die Anschrift der jeweiligen Wohnung sowie der Name des meldepflichtigen Mieters. Das Meldeamt soll zudem vom Eigentümer der Wohnung oder von dessen beauftragten Verwalter Auskunft verlangen können, welche Personen bei ihm wohnen oder gewohnt haben. Der Vermieter soll dafür berechtigt sein, sich von der Meldebehörde die An- bzw. Abmeldung bestätigen zu lassen. Soweit er ein rechtliches Interesse geltend macht, muss die Behörde nach § 50 Absatz 4 dem Vermieter jederzeit unentgeltlich Auskunft über die Namen der in seiner Wohnung gemeldeten Personen erteilen. Die Daten des Vermieters bzw. seines Verwalters werden gespeichert, sollen aber nicht zum Adressbestand, der an Adresshändler weitergegeben werden darf, gehören. Die Bundesregierung verspricht sich davon, Scheinanmeldungen besser verhindern zu können.
Es gibt keine belastbare Zahlen oder sonstige Erkenntnisse dafür, dass die Zahl der Scheinanmeldungen seit der Abschaffung der Vermietermeldepflicht im Jahr 2002 signifikant zugenommen hätte. Zwar gab es wohl in den letzten Jahren durchaus einige Fälle in denen die Polizei in Wohnungen von unbescholtenen Bürgern eindrang, weil Verdächtige deren Adresse bei der Meldebehörde als Scheinadresse missbraucht hatten, aber dies waren Einzelfälle, die sich auch in der Regel durch ein besonneneres und besser vorbereitetes Polizeiverhalten hätten verhindern lassen. Die Meldestellen waren außerdem nach bisheriger Gesetzeslage dazu angehalten, in Verdachtsfällen Nachforschungen anzustellen und sich gegebenenfalls auch Mietverträge vorlegen zu lassen. Das dies aus Zeitgründen nur in Ausnahmefällen gemacht wird, verweist eher auf das Problem Personalmangel, als auf Gesetzeslücken.
Solange ein Anstieg von Scheinanmeldungen nur behauptet und nicht durch nachprüfbare Zahlen belegt wird, sollte aus Sicht meiner Fraktion daher auch weiterhin auf diese zusätzliche Datenerhebung und –verarbeitung verzichtet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Jelpke