Frage an Ulla Jelpke von Carla M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Jelpke,
was könnten Sie dafür tun, dass Die Linke die Wahl von Herrn Gauck als Bundespräsidenten unterstützt?
Die Ernennung eines eigenen Kandidaten erscheint mir kontraproduktiv, da Die Linken damit Stimmen ´verschenken´ werden und somit eher die Kandidatur von Herrn Wulff zum BP fördern.
Allein die Nominierung eines aktuellen, noch amtierenden Parteipolitikers, der darüber hinaus bereits in der CDU sozialisiert wurde, dort seine Karriere gestrickt hat und außer der CDU in seinem Leben nicht viel anderes kennen gelernt hat, erscheint mir als unerträgliche Dreistigkeit von Frau Merkel und ihrer Regierungskoalition - die ÜBERPARTEILICHKEIT und die UNABHÄNGIGKEIT, die das Amt des Bundespräsidenten m. W. eigendlich erfordert, kann so ein Parteisoldat einfach gar nicht aufbringen!
Ich bitte Sie daher inständig, diesen absurden, parteienkomplott- und politfilzstrickenden Vorschlag der Regierung abzustrafen, indem Sie sich für die Wahl des Herrn Gauck zum Bundespräsidenten einsetzen und stark machen.
Für mein Empfindem MUSS Die Linke sich nun UNBEDINGT einen Ruck geben und ALLES auch nur IN IHRER MACHT STEHENDE TUN, um einen CDU-PARTEI-BUNDESPRÄSIDENTEN zu verhindern! Alles Andere weist Die Linke m. Ea. aus als ebenso parteiverstrickt und selbstverliebt wie die übrigen Parteien.
Also - geben Sie sich einen Ruck! Dieses Vorgehen bietet Der Linken doch DIE Gelegenheit, sich von den Vorwürfen der Stasi-Verstrickungen zu befreien und eindeutig FÜR eine klare Aufarbeitung der Vergangenheit einzutreten.
Freue mich über Ihre Anwort!
MFG, C.M.
Sehr geehrte Frau Müller,
die LINKE steht für ein antineoliberales Programm gegen soziale Kürzungen, gegen Privatisierungen, gegen Hartz IV. Gerade in diesen entscheidenden sozialen Fragen kann ich leider keinen Unterschied zwischen Wulff und Gauck erkennen.
Gerade erst hat Gauck den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für dessen soziale Einschnitte gelobt und praktisch eine Neuauflage der Agenda 2010 und der Hartz-IV-Gesetze gefordert. Der Zusammenhang von sozialen und liberalen Freiheitsrechten, von Freiheit und Gleichheit, ist kein Thema von Joachim Gauck. Bei der Idee der Freiheit blendet Joachim Gauck die soziale Dimension aus. Die soziale Stimme, die Wertschätzung und Verteidigung des Sozialstaatsgebots und der sozialen Grundrechte, die Wortführerschaft für die von sozialer Ausgrenzung betroffenen und bedrohten Bevölkerungsschichten ist etwas, was DIE LINKE von jedem zukünftigen Bundespräsidenten vor allem erwartet.
Den abhängig Beschäftigten, den sozial Schwachen, den Hartz-IV-Empfängern, den Rentnern mit ihren kleinen Renten ist ein solcher Mann als Bundespräsident ebenso unzumutbar wie der niedersächsische schwarz-gelbe Regierungspolitiker Wulff. Das Lob Gaucks für Gerhard Schröder zeigt zudem, dass Gauck keineswegs der (partei-)unabhängige Kandidat ist, sondern sich als klarer Vertreter der weiterhin neoliberalen Sozialdemokratie zu erkennen gibt.
Indem DIE LINKE eine eigene Kandidatin mit einem klaren sozialen Profil aufstellt, entzieht sich gerade diesem Partei- und Lagerdenken. Letztlich ist der Bundespräsident in seiner Position relativ machtlos. Eine andere Politik in diesem Land setzt vielmehr andere politische Mehrheiten innerhalb und außerhalb der Parlamente voraus. DIE LINKE würde sich unglaubwürdig machen, wenn sie jetzt bei der Bundespräsidentenwahl das eine neoliberale Lager gegen das andere ebenso neoliberale Lager unterstützen würde, anstatt ihr eigenes Profil zu schärfen. Joachim Gauck hat vor einiger Zeit DIE LINKE für „überflüssig“ erklärt. Wenn wir ihn jetzt mit wählen würden, gäbe ihm das nur Recht.
mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke