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Frage von Melanie D. •

Frage an Ulla Jelpke von Melanie D. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Jelpke,

im Prinzip bin ich für eine Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland. Alleine schon das haarsträubende Zufallsprinzip der Erfassung von Wehrpflichtigen durch die Kreiswehrersatzämter, ist skandalös und eventuell nicht einmal verfassungskonform.

Andererseits frage ich mich, was aus den Stellen der Ersatzdienstleistenden (die es dann ja auch nicht mehr gibt) werden soll. Wollte eine Regierung diese mit Kräften aus dem primären Arbeitsmarkt wiederbesetzen, redeten wir hier über geschätzte 5 Mrd. Euro Finanzbedarf.

Wie sähe ihre Gegenfinanzierung aus?

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Dara,

zunächst möchte ich betonen, dass fiskalische Überlegungen unter keinen Umständen rechtfertigen können, Menschen in Zwangsdienste zu pressen. Sonst könnten wir ja auch darüber nachdenken, ob wir die Leibeigenschaft wieder einführen wollten, weil sie unter Umständen billiger wäre.
Ob Wehrdienst oder Zivildienst: Die Wehrpflicht zwingt junge Männer unter Strafandrohung, bestimmte Tätigkeiten zu verrichten, für die sie so gut wie gar nicht entlohnt werden. Das verstößt absolut gegen mein Verständnis von Grund- und Freiheitsrechten. Hinzu kommt, dass auch Arbeiterrechte komplett missachtet werden, schließlich haben Zivildienstleistende kein Streikrecht.

Davon abgesehen: Es muss überhaupt nicht so sein, dass die Abschaffung des Zivildienstes zu einer Kostensteigerung führt, obwohl Ihre Grundannahme, dass der Zivildienst nicht „arbeitsmarktneutral“ ist, durchaus richtig ist. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ca. drei Zivildienstplätze zwei „normalen“ Arbeitsplätzen entsprechen würden. Und nun muss man verschiedene Faktoren bedenken: Zum einen würden diese Arbeitskräfte nicht nur Kosten verursachen, sondern auch (Steuer)Einnahmen erwirtschaften. Die bürokratischen Kosten für die Rekrutierung (von Soldaten wie Zivildienstleistenden) würden wegfallen. Nicht vergessen werden darf auch, dass Zwangseinberufungen junge Männer aus ihren Lebens- und Lernprozessen herausreißen. Auch Arbeitsplätze gehen durch diese Einberufungen verloren, genauso wie manche Existenzgründungen.

Der Zivildienst „lohnt“ sich allenfalls betriebs-, keinesfalls aber volkswirtschaftlich. Schon vor langer Zeit hat Prof. Dr. Jürgen Blandow von der Uni Bremen erklärt: „Unter Kostengesichtspunkten und volkswirtschaftlich gesehen waren und sind Zivildienstleistende als Arbeitskräfte im Wohlfahrtswesen entbehrlich. Relevant ist nur, dass es beim Wegfall des Zivildienstes den politischen Willen gibt, das bislang für den Zivildienst aufgebrachte Geld und die womöglichen sonstigen ‚Gewinne‘ wieder für soziale Zwecke einzusetzen.“
Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass auch eine Forschergruppe des Helsinki Center of Economic Research zum Ergebnis kam, dass die Wehrpflicht mehr Kosten verursacht als einspart. Andreas Wagener von der Uni Hannover, der an dieser Studie mitwirkte, sagte in der Tageszeitung junge Welt (13. 8. 2008): „Die Kosten sind immer noch erheblich. Zu den 68000 Wehrpflichtigen muss man noch 80000 Zivildienstleistende hinzuzählen, denn jede Form von Zwangsdienst ist ineffizient.“
Deswegen würde sich die Abschaffung der Wehrpflicht auch ökonomisch lohnen. Das wichtigste Argument bleibt aber, dass Zwangsdienste per se illegitim sind. Ich bin davon überzeugt, dass freiwilliges soziales Engagement - ohne ausbeuterischen und arbeitsplatzvernichtenden Charakter wie im heutigen Zivildienst - bei jungen Männern wie auch Frauen hoch angesehen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Jelpke