Frage an Ulla Jelpke von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Jelpke,
ist anzunehmen, daß der jetzige Krieg in Afghanistan zur Vertreibung von Al-Kaida führen könnte?
Könnten im Falle einer Vertreibung die Terroristen nach Somalia, in den Jemen und nach Algerien(in der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wird Al-Kaida erwähnt) ausweichen und dort Ausbildungslager errichten?
Wird Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
um mit Ihrer letzten Frage zu beginnen: Nein, es ist nicht unsere Sicherheit, die am Hindukusch verteidigt wird. Die Beteiligung der Bundeswehr an dem US-geführten Krieg ist vielmehr im Zusammenhang mit Geopolitik zu sehen: Es geht darum, dass die westlichen Industriestaaten die Kontrolle über den zentralasiatischen Raum mit seinen gewaltigen Energiereserven haben wollen. Auch wenn Afghanistan selbst an Bodenschätzen nicht viel zu bieten hat: Es dient als wichtige strategische Basis und, nicht zu vergessen, auch als Transitland für Pipelines. Die Nato sieht sich bekanntlich in einem langfristigen Konkurrenzkampf mit China und Russland, und hier liegt der Kern des Konflikts.
Um Al-Kaida geht es allenfalls am Rande. Aus Afghanistan kann sie gar nicht mehr vertrieben werden, dort ist sie nämlich, glaubt man US-General Petraeus (dem US-Oberkommandierenden in Afghanistan), schon weg. Ich kann Ihnen nicht sagen, wohin sich Al-Kaida bewegt und ich möchte hier auch nicht spekulieren. Ich wäre sehr skeptisch, überhaupt von einer fassbaren "Organisation" zu sprechen. General Petraeus fabuliert von "Tentakeln" der Al-Kaida, die sich über den ganzen Nahen Osten erstreckten. In solch einer menschenverachtenden Sprache wird zugleich der Bereich abgesteckt, in dem sich die USA Interventionen vorbehalten. In Pakistan wird ja schon regelmäßig bombardiert.
Die Frage ist doch aber, warum Taliban (nicht Al-Kaida) und andere Rebellengruppen in Afghanistan überhaupt einen wachsenden Einfluss haben. Die Antwort ist nahe liegend: Weil die Besatzer so viele Verbrechen begehen. Wer blindlings Bomben auf Dörfer, Hochzeitsgesellschaften, Beerdigungen oder Benzindiebe wirft und Hunderte Zivilisten umbringt, der macht sich logischerweise keine Freunde. Ich fordere deswegen den Rückzug aus Afghanistan.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Jelpke