Frage an Ulla Jelpke von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Jelpke,
"Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott",
"Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben":
Diese Sprüche von Verbänden und Einzelpersonen wird man auf einem gemieteten Doppeldeckerbus finden, der am 30.5.09 in Berlin startet und am 18.6.09 nach einer Fahrt durch Deutschland dort wieder eintrifft.
Die Betreiber bekunden öffentlich, dass eine nicht religiöse, aufgeklärte Weitsicht eine positive Möglichkeit darstellt. Nach ihren Angaben kann das Leben ohne Gott eine Bereicherung sein: Angstfrei, selbstbestimmt, bewusst, tolerant und frei von Diskriminierungen.
Auf http://www.buskampagne.de wird hingewiesen.
Vor der Anmietung des Busses waren bei städtische Nahverkehrsunternehmen Werbeflächen beantragt worden. Bis auf 1 Ausnahme (Essen) gab es Absagen oder die vergebliche Suche nach einer zuständigen Stelle. Bei Absagen kann man unter http://www.buskampagne.de (Aktuell, Bilder) mühelos Beispiele erkennen, in denen mit zweierlei Maß gemessen wurde. Während Kirchen und Sekten mit ihren weltanschaulichen Inhalten scheinbar niemanden stören, wird eine Aussage, die ihren Glauben infrage stellt, als unzumutbar eingeschätzt.
Das Grundgesetz schreibt vor: Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.
Sind wir von einer Gleichstellung noch weit entfernt?
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann
Sehr geehrte Frau Großmann,
von der im Grundgesetz geforderten Gleichstellung von Religionsgemeinschaften bzw. Weltanschauungen sind wir in Deutschland tatsächlich noch weit entfernt. Die beiden christlichen Kirchen haben - auch gegenüber anderen religiösen Bekenntnisgruppen - eine privilegierte Stellung, die sich u.a. durch die Kirchensteuer und den Einfluss der Kirchen auf die Medien- und Bildungspolitik äußert.
Das von Ihnen geschilderte Beispiel der Zurückweisung der religionskritischen Buskampagne durch städtische Nahverkehrsunternehmen, die gleichzeitig Werbung für religiöse Vereinigungen zulassen, ist ein deutliche Beispiel für eine Diskriminierung von Anhängern einer aufgeklärten, nichtreligiösen Weltsicht.
Ich trete für eine wirkliche Trennung von Staat und Kirche, Schule und Kirche ein. Dass auch viele andere Bürgerinnen und Bürger das so sehen, beweist der Ausgang des Volksentscheids in Berlin, auf dem der gemeinsame Ethikunterricht gegen alle Versuche einer Aufwertung von Religion zum Wahlpflichtfach durch eine Mehrheit der Abstimmenden verteidigt wurde.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke