Unterstützen sie ein vollständiges Handelsembargo gegen Russland?
Diese Frage ist mir sehr wichtig, da Deutschland eines der Länder ist, die den Krieg in der Ukraine am meisten mitfinanzieren.
Ich werde niemanden unterstützen, der zulässt, dass in Europa Krieg geführt wird.
Sehr geehrter Herr. S.,
vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme über abgeordnetenwatch.de. Die deutsche Bundesregierung hat in einem Marathon der Diplomatie gemeinsam mit unseren Verbündeten bis zuletzt versucht, den Angriffskrieg zu verhindern. Leider ohne Erfolg. Daher hat sie nach langem Abwägen entschieden, der Ukraine Waffen zu liefern. Wir stellen 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen aus Bundeswehr-Beständen zur Verfügung. Die Bundesregierung hat darüber hinaus den Weg freigemacht für die Lieferung von mehreren Haubitzen aus DDR-Beständen, die sich zurzeit in Estland befinden.
Zugleich stärken wir die Ostflanke der NATO. Die Bundeswehr stellt hierfür Soldat:innen bereit:
• • Litauen: Rund 900 Soldat:innen im Rahmen der NATO-Mission „Enhanced Forward Presence“,
• • Rumänien: Sechs Eurofighter im Rahmen der NATO-Mission „Enhanced Air Policing South“.
• • Slowakei: Rund 200 Soldat:innen für die Aufstellung einer multinationalen Battle Group sowie weitere Kräfte zur Luftverteidigung,
• • Marineeinheiten in der Ostsee und im Mittelmeer.
• • Wir sind auch bereit, uns mit Luftabwehrraketen an der Verteidigung des Luftraums unserer Alliierten in Osteuropa zu beteiligen.
Ich wünschte, das alles wäre nie notwendig geworden. Aber die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und steht für den Schutz seiner Mitglieder ein. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Deshalb werden sich die NATO-Mitgliedsländer auch nicht aktiv an militärischen Aktionen in der Ukraine beteiligen. Das ist der Status Quo.
Gleichzeitig haben wir gemeinsam mit der Europäischen Union sehr gezielte Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Sie sind mit unseren internationalen Partnern abgestimmt und zielen auf die Bereiche Finanzen, Transport und Energie. Im Fokus steht nicht die russische Bevölkerung, im Fokus stehen die Oligarchen, die Unterstützer-Clique um Putin. Hier setzen die Sanktionen an: Diese Gruppe verliert ihren privilegierten Zugang zur Europäischen Union.
Ein wichtiges Mittel zur Einschränkung der Handlungsfähigkeit ist die Begrenzung der Finanzmittel: 70 Prozent des russischen Bankenmarktes und wichtige staatliche Unternehmen – auch im Verteidigungsbereich – werden von den wichtigsten Kapitalmärkten abgeschnitten.
Zusätzlich schließen wir wichtige russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetz SWIFT aus. Transaktionen der russischen Zentralbank werden untersagt. Damit wird die Nutzung eines großen Teils der Währungsreserven Russlands zur Stabilisierung des Rubel-Wechselkurses und zur Stützung von in Schieflage geratener Banken und Unternehmen verhindert.
• Energiesektor: Es werden insbesondere Exportverbote verhängt, die es Russland unmöglich machen, seine Ölraffinerien zu modernisieren.
• Transportsektor: Der Verkauf von Flugzeugen und Ausrüstung an russische Fluggesellschaften wird verboten.
• Industriesektor: Der Zugang Russlands zu wichtigen Technologien wie Halbleitern oder modernster Software wird beschränkt.
• Flugverbot: Zusammen mit anderen europäischen Ländern hat Deutschland seinen Luftraum für drei Monate für russische Flugzeuge gesperrt.
Das ist nur ein Teil der ergriffenen und noch zu ergreifenden Maßnahmen. Es geht um nichts Geringeres als um die Zukunft der Europäischen Union. Für die Bundesregierung ist ein vollständiges Handelsembargo aktuell keine Maßnahme, die Frieden herstellen kann. Auch wenn Putins Krieg eine Zäsur bedeutet, werden wir so viel Diplomatie wie möglich versuchen. Wir werden uns Gesprächen mit Russland auch künftig nicht verweigern. Auch in dieser extremen Lage ist es die Aufgabe der Diplomatie, Gesprächskanäle offenzuhalten. Denn wir wissen leider auch, dass dauerhaft Sicherheit in Europa nicht gegen Russland möglich.
Ich bin Olaf Scholz dankbar, dass er sehr schnell in den Krisenmodus geschaltet hat und Entschlossenheit und Stärke beweist. Ich bin gleichzeitig zutiefst erschüttert, dass wir Krieg dieses Ausmaßes auf europäischem Boden erleben müssen.
Die Situation ist äußerst volatil und niemand kann Ihnen derzeit sagen, wie es auch nur morgen aussieht für Europa. Ich kann Ihnen nur zusichern, dass ich hinter den aktuellen Entscheidungen der Bundesregierung stehe, auch wenn ich mit Ihnen in der Ablehnung von Krieg in Europa zu 100% übereinstimme. Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position darlegen.
Ihr
Uli Grötsch, MdB