Frage an Uli Grötsch von Jay S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grötsch,
momentan wird viel über die Situation im Bamf gesprochen. Wenig gesprochen wird jedoch, dass auch viele BamF Ablehnungen fehlerhaft sind. Dies ergibt sich sicherlich auch durch Überforderung, Eile, fehlerhaften Informationen und fehlerhafter Technik. Hier wird beispielsweise berichtet, dass Verwaltungsgerichte 40 % der Entscheidungen korrigieren muss. http://www.sueddeutsche.de/politik/bamf-aus-sicht-der-fluechtlinge-behoerde-ohne-gesicht-1.4010645-2
Nicht nur in Bremen, sondern auch z.B. in Bayern weichen Entscheidungen bei Bürgern aus Afghanistan, Irak und Iran sehr ab. Haben Sie dafür eine Erklärung vom Bamf oder vom Innenministerium gehört? Es kann doch beispielsweise nicht sein, dass Flüchtlinge aus der Türkei abgelehnt werden, weil die Türkei ein Rechtsstaat sei, was die Türkei seit dem gescheiterten Putschversuch sicher nicht mehr sind. Ich kann verstehen, dass das Bamf 2015 mehr auf Quantität gesetzt hat, aber hätte die Qualität der Entscheidungen nicht längst verbessert werden müssen?
Sind nur die Außenstellen in Oldenburg und Bielefeld überlastet, weil sie zu wenig Koordinatoren für Integrationen vorhanden sind? Ist hier mehr Personal notwendig? http://www.sueddeutsche.de/politik/asylbundesamt-hoffnungslos-ueberlastet-1.4011124
Leider hat der Innenminister am Integrationsgipfel nicht teilgenommen. http://www.sueddeutsche.de/politik/integrationsgipfel-in-berlin-unser-land-war-schon-immer-von-migration-gepraegt-1.4014468 Wäre es nicht gerade die Aufgabe von Herrn Seehofer sich für Werte "Freiheit, der Respekt vor der Würde aller Menschen, die Achtung vor dem Rechtsstaat, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind grundlegende Werte, die uns leiten und ohne die ein gesellschaftlicher Zusammenhalt undenkbar ist." "Heimat, das sei nicht als ausgrenzender Begriff zu verstehen, sondern als "offenes Angebot des gemeinsamen Gestaltens unserer Gesellschaft"." einzusetzen?
Danke für das Lesen und Beantworten der Fragen.
MFG
Scharff
Sehr geehrter Herr Scharf,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.
Die hohe Zahl der Asylentscheidungen, die vor Gericht landen und korrigiert werden, spricht Bände. Da haben Sie völlig Recht. In sehr kurzer Zeit ist das BAMF von 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf zwischenzeitlich 10000 Beschäftigte angestiegen. Geeignetes Personal zu finden und entsprechend zu schulen, war offenbar schwieriger als uns der damalige Bundesinnenminister de Maiziere (CDU) und der BAMF-Leiter Jürgen Weise weiß machen wollten. Dennoch finde ich die am BAMF pauschal geäußerte Kritik angesichts des enormen Drucks in den Jahren 2015/2016 nicht fair. Die allermeisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen tollen Job unter ganz schwierigen Bedingungen gemacht und dafür gebührt diesen Beschäftigten Dank. Sie haben dazu beigetragen, dass wir jetzt in 2018 ein relativ "normales" Arbeitsaufkommen im BAMF haben.
Aktuell bin ich als Mitglied des Innenausschusses im Deutschen Bundestag damit befasst, die Umstände zu ergründen, die zu den Bremer Missständen geführt haben. Auch wir als Politik tragen Verantwortung, denn wir waren es, die immer schnellere Asylentscheide verlangt haben. Insofern ist auch Selbstkritik angebracht. Der gegenwärtige Bundesinnenminister Seehofer (CSU) hat nun die Gelegenheit das BAMF so auszustatten, dass sowohl die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse als auch die Arbeitsmoral wieder steigen. Wir als SPD fordern nicht nur mehr Personal, sondern die Entfristung der über 1500 Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen im BAMF.
Sie kritisieren außerdem das Fernbleiben des Bundesinnenministers Seehofer beim Integrationsgipfel. Das zeigt in der Tat, welchen Stellenwert die Integration von Migrantinnen und Migranten in seinem Wertesystem hat. Er war es, der als erste Amtshandlung die uralte Phrase, ob der Islam zu Deutschland gehöre, aufgewärmt hat. Damit hat er zur gesellschaftlichen Spaltung mindestens so viel beigetragen wie sein Nachfolger in Bayern Markus Söder, der mit seinem Kruzifix-Erlass sogar die Kirchen gegen sich aufgebracht hat. Das ist das Gegenteil von gesellschaftlichem Zusammenhalt und damit das Gegenteil von dem, was Seehofer als "Heimat"-Minister angeblich vorhatte. Wenn ich mir nun auch noch den unionsinternen Streit zwischen CDU und CSU bezüglich der Grenzkontrollen anschaue, wird klar: Solidarität und Verantwortung sehen anders aus.
Mit freundlichen Grüßen
Uli Grötsch