Frage an Uli Grötsch von Benjamin H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grötsch,
ich möchte Sie um eine Auskunft zu Ihrer Position zu den Vorstößen der Innenminister in Europa (Vorratsdatenspeicherung, Erhebung von Fluggastdaten, Aufweichung von Verschlüsselungsstandards) bitten.
Ich sehe diese Vorhaben sehr kritisch und bin bestürzt wie bereitwillig und gut vorbereitet Innenpolitiker und Sicherheitsbehörden innerhalb der EU die Gelegenheit ergreifen, unter dem Eindruck der Anschläge von Paris eigene Befugnisse und Möglichkeiten zu erweitern und dabei die Grund- und Persönlichkeitsrechte ihrer Bürger zu beschneiden.
Aus Platzgründen kann ich meine Bedenken nur zum letztgenannten Punkt, den Behörden Möglichkeiten zu geben, Verschlüsselungsmethoden für elektronische Kommunikation auszuhebeln, näher erläutern. Ich empfinde das Vorhaben als Angriff auf meine Privatsphäre, da mir damit die letzte Möglichkeit auf eine private elektronische Kommunikation genommen wäre. Außerdem sind starke Verschlüsselungsstandards von wichtig, um Wirtschaft und Infrastruktur besser vor Spionage und digitalen Angriffen zu schützen. Die Forderung nach elektronischen Hintertüren wurde zuvor schon von Präsident Obama und Premierminister Cameron vorgetragen. Wie dank der Snowdenenthüllungen bekannt ist, verfolgen die Geheimdienste beider Länder (und kooperierende Geheimdienste) nicht nur die vorgeschobenen Ziele der Terrorismusabwehr, sondern nutzen ihre Vormachtstellung im Internet auch zu schlichter Spionage, wobei auch kommerzielle Unternehmen wie z.B. der belgische Telefonanbieter Belgacom ins Visier genommen werden. Die Konsequenz aus der NSA-Äffare sollte daher sein, die elektronische Infrastruktur und Telekommunikation inhärent sicherer zu machen und nicht zusätzliche Angriffsmöglichkeiten und Sicherheitschlupflöcher einzubauen.
Ich bitte Sie als Vertreter der SPD-Fraktion im Innenausschuss ihre Ansichten zu diesem Themenkomplex knapp zu erläutern. Gibt es eine dazu gemeinsame Position der Bundestags-SPD?
MfG,
Benjamin Hußmann
Sehr geehrter Herr Hußmann,
vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.de. Ich kann ihre Sorgen gut verstehen und sehe es ebenfalls kritisch, wenn nach einem Terroranschlag sofort der Ruf nach unbedingt notwendigen Sicherheitsgesetzen aufkommt.
Dass die Verschlüsselung von privater Kommunikation nach den Anschlägen von Paris in Frage gestellt wurde, hat nicht nur Sie, sondern auch mich irritiert. Denn im Koalitionsvertrag haben wir mit der Union klar vereinbart, sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen auszubauen – also das Gegenteil dessen. Der Staat muss das Grundrecht auf private Kommunikation schützen. Ich habe es daher sehr begrüßt, dass sich Bundesinnenminister de Maiziere in der Innenausschusssitzung am 04. Februar zum Einsatz von Verschlüsselungstechnologie in der Online-Kommunikation bekannt hat. Dies darf kein Lippenbekenntnis sein. Auch jede Art an digitaler Schlüsselhinterlegung, durch die Geheimdienste Zugriff auf private Kommunikation erhalten könnten, lehnen ich und die SPD-Bundestagsfraktion ab.
Ein erster Schritt zu einem besseren Schutz im Internet ist das IT-Sicherheitsgesetz. Wasser-, Energie- und Telekommunikationsunternehmen, die so genannte kritische Infrastruktur anbieten, müssen künftig Sicherheitsvorfälle an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) melden. Telekommunikationsunternehmen werden zudem verpflichtet, ihre Kunden zu warnen, wenn der Anschluss des Kunden für Cyber-Angriffe missbraucht wird.
Gut finde ich, dass gegen den Druck der Industrie eine sehr sensible Passage aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde. Ursprünglich enthielt der Entwurf nämlich für Webseitenanbieter die Berechtigung, Nutzerdaten bis zu sechs Monate lang zu protokollieren. Dies halte ich für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Auch der Sicherheitsgewinn einer solchen Speicherung ist fraglich.
Freiheits- und Persönlichkeitsrechte dürfen nicht einer Hysterie um Terrorgefahr zum Opfer fallen. Das sehe ich genauso wie Sie. Wir Innenpolitiker in der SPD-Bundestagsfraktion machen uns dafür stark, dass die Sicherheitsbehörden ihre Kompetenzen nicht grundlos ausweiten.
Im Frühling werden wir das IT-Sicherheitsgesetz im Bundestag beraten. Bei weiteren Fragen – auch zu anderen innenpolitischen Themen – können Sie mir gerne schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Uli Grötsch
Mitglied des Bundestages