Frage an Ulf Dunkel von Stefan S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Dunkel,
mich würde interessieren, wie Sie zu dem Problem des immer weiter zunehmenden Schwerlastverkehrs in Deutschland und den daraus resultierenden Folgen für die Arbeitnehmer im Verkehrgewerbe stehen. Zunehmender Verkehr bedeutet oftmals auch zunehmende Staus, denen oft nicht effektiv ausgewichen werden kann - z.B. durch Durchfahrverbote. Des weiteren sind schon heute auf vielen Transitstrecken die Parkmöglichkeiten für schwere LKW hoffnungslos unzureichend. Dies erschwert es Fahrern erheblich, ihre gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten - was wiederum zu schweren Unfällen führen kann. Besteht Bedarf an besser ausgebauten Autobahnen, mehr und größeren Rastanlagen, und besser nutzbaren Ausweichstrecken, oder sehen sie andere Lösungen, die das Problem auch kurz- und mittelfristig eindämmen können ?
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Schritt
Lieber Stefan Schritt.
Dass der Schwerlastverkehr wirklich immer weiter zunehmen würde, ist nicht belegt. Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) in Berlin ermittelt jährlich Zahlen über die Verkehrsbewegungen auf deutschen Straßen und stellt dabei regelmäßig fest, dass der Schwerlastverkehr innerhalb von 10 Jahren gerade mal 1,4 % mehr wurde - aber nicht pro Jahr, sondern innerhalb von 10 Jahren insgesamt. Derzeit ist sogar eine abnehmende Tendenz zu beobachten.
Auch der Mautbericht 2007 des Bundesverkehrsministeriums (herausgegeben 2009) stellt fest, dass der Schwerlastverkehr auf den meisten Bundesstraßen seit Jahren stagniert, während er nur marginal auf den Autobahnen zugenommen hat.
Dennoch können auch diese Zahlen die täglichen Staus, die viele VerkehrsteilnehmerInnen tatsächlich erleben, nicht wegdiskutieren!
Viele Staus - gerade auf Autobahnen - sind m.E. oft dadurch hausgemacht, dass an Baustellen keine ausreichend frühe Vorwegweisung erfolgt, sondern der Verkehrsstrom nur kurz vor der Baustelle gewarnt und im Tempo reduziert wird, so dass kaum Zeit für Umleitungsuche bleibt.
Lkw-FahrerInnen sind momentan in der doppelt schwierigen Situation, dass sie den Druck ihrer Arbeitgeber (der Spediteure), ihres Wettbewerbs (andere Spediteure) und ihrer Auftraggeber (die Industrie und der Handel) aushalten müssen. Daher wird oft viel zu schnell und viel zu lange gefahren - Verkehrskontrollen belegen dies dramatisch. Leider ist mittlerweile als Regel zu beobachten, dass die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten auch von schwer-Lkws regelmäßig deutlich überschritten werden: Geschwindigkeiten von ca. 95 km/h sind oft die Regel, obwohl sie auf Autobahnen max. 80 km/h und auf zweistreifigen Bundesstraßen sogar nur 60 km/h fahren dürfen. Die überhöhten Geschwindigkeiten sind eine weitere Ursache für Unfälle, leider eben oft kombiniert mit Übermüdung.
Auch in unserer Region wurden durch konservative Verkehrspolitik massiv Rast- und Parkplätze abgebaut, um angeblich immer weiter steigende Wartungskosten dieser Plätze zu sparen. Tatsächlich bringen die fehlenden Standflächen die Lkw-FahrerInnen sogar in Gefahr, weil sie eben oft zum Ende der erlaubten Fahrzeit keinen Parkplatz ohne weitere Umwege finden können und so eher das Risiko eingehen, noch ein Stück weiter zu fahren, und noch eines, und noch eines ...
Schon vor Jahren war in der Politik klar, dass die Schwerlastverkehre auf deutschen Bundesstraßen und Autobahnen eigentlich eine Wirtschaftssubventionierung sind. Industrie und Handel können sich durch das Märchen von "Just-in-time"-Lieferungen aufwendige Lagerung der Waren sparen; wir alle zahlen die Lagerung der Waren auf den Straßen, die Abnutzung der Straßen durch Schwerlastverkehre und indirekt auch die Schäden, die durch Unfälle nach Übermüdung entstehen.
Daher plädieren Grüne seit langem dafür, mehr Güterverkehre auf die Schiene (und wo möglich, auf Wasserwege) zu verlagern. "Just in time" ist vielerorts nur Wunschdenken, so dass auch etwas langsamere Transportgeschwindigkeiten auf Schiene und Wasser der Wirtschaft nicht schaden sollten. Dazu müssen natürlich die Etats für Verkehr in Land und Bund deutlich mehr für den Bereich Schiene aufbringen. Schwarz-Gelb hat immer wieder versucht, der Straße mehr und der Schiene weniger Mittel bereitzustellen. So führt man ein Verkehrssystem ad absurdum und das andere in den Kollaps.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Transportwirtschaft mit vereinten Kräften gute Wege finden würde, auf wichtigen Hauptrelationen Roll-On-Roll-Off-Systeme zu entwickeln, bei denen Lkws huckepack auf der Schiene von A nach B befördert werden, so dass die eigentlichen Lenkzeiten der FahrerInnen nur vom Ladeort nach A und von B zum Zielort nötig sind. Dem Ausbau von Schienenwegen stehen m.E. auch wesentlich mehr Menschen positiv gegenüber als dem weiteren Ausbau unseres Straßennetzes.
Da ein Schwerlastkraftwagen die Straßen ca. 60.000-200.000 mal stärker abnutzt als ein Pkw, halte ich von Ausweichstrecken nichts, da diese in der Regel nicht mautpflichtig sind.
Wenn wir fordern, dass Lkw-FahrerInnen die Lenkzeiten und Ruhezeiten einhalten sollen, dann müssen natürlich entsprechende Rastplätze zur Verfügung stehen. Hier muss der Rückbau gestoppt werden. Es sollte ermittelt werden, welcher Bedarf wo besteht, damit dann zielgenau Rastplätze und Parkplätze aus- oder neugebaut werden können.
Freundliche Grüße,
Ulf Dunkel