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Tobias Zech
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Frage von Lars R. •

Frage an Tobias Zech von Lars R.

Sehr geehrter Herr Zech,

die Journalstin Lori Wallach warnt in der Ausgabe des Handelsblattes Handel v. 11. 11. 2014 Europa nachdrücklich. Zitat-Auszug: ” Ich kann Europa nur warnen. Es ist grotesk: Die EU-Staaten und die USA verfügen über das weltweit besten Rechtssysteme und Gesetze zum Schutze von Eigentum. Und dennoch beharren die US-Unterhändler bei den Verhandlungen zu TIPP auf Sonderregelungen für Investorenklagen im Ausland. Mit Hilfe von ISDS-Klauseln kann ein Investor im Streitfall den Rechtsweg umgehen. Das ISDS-System ist zu einem parallen Rechtssystem geworden, das allein dem Vorteil großer Konzerne dient. In einem amerikanisch-europäischen TTIP-Abkommen hat derlei nichts verloren.”

Werden Sie vorliegende TTIP-Abkommen mit der dort vorgesehenen Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Demokratie und Rechtsstaat ablehnen?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Rosinsky,

erst einmal möchte ich mich für Ihre Frage bedanken, welche Sie über die Plattform abgeordnetenwatch.de stellten, denn sie ist gerechtfertigt. In den letzten Wochen schlug die allgemeine Medienschelte von der Furcht, dass das Transatlantische Handels- und Investitionen-abkommen zu einem Absenken von Standards führen würde, über zu den ISDS, den so genannten Schiedsgerichten.

Status quo
Zuerst muss festgehalten werden, dass Schiedsgerichte schon heute existieren und Deutschland über Umwege, welche ich unten ausführen werde, schon heute von US-amerikanischen und anderen ausländischen Unternehmen vor solch eine Institution bestellt werden kann. Deutschland nimmt in Sachen ISDS seit jeher eine Vorreiterrolle ein. Im Jahre 1959 vereinbarten die deutsche und die pakistanische Regierung den „Treaty for the Promotion and Protection of Investments“. Article 11 (2b) des Dokuments sieht ein „Arbitration Tibunal“ für Investitionstreitigkeiten vor. Zehn Jahre später, 1969, ratifizierte Deutschland die „Convention on the Settlement of Investment Disputes“. Die Konvention sieht die Errichtung eines Schiedsgerichts, dem sogenannten ICSID (Internationales Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten), angesiedelt bei der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank Gruppe) vor. Zurzeit zählt die Institution 147 souveräne Mitglieder.
Deutschland kann folglich nicht nur als einer der ursprünglichen Initiatoren solcher ISDS angesehen werden, sondern hat bis dato selbst 130 Investitionsförderungs- und Schutzverträge mit entsprechenden Klauseln abgeschlossen. Weltweit existieren bereits über 3.000 dieser Verträge. Durch eine geschickte Standort- und Organigrammwahl von Tochterfirmen können multinationale Konzerne schon heute diese Institutionen anrufen. So verklagte beispielsweise die US- Firma Phillip Morrison den Staat Australien nicht über das US-Australische Abkommen sondern über eine Phillip Morrison Holding in Hongkong auf Grundlage des Hongkong-Australien Abkommens. Kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) steht solch ein Weg aufgrund mangelnder Ressourcen nicht offen. Durch die Institutionalisierung der ISDS im transatlantischen Kontext könnte es hier zu einer Wettberwerbsangleichung zwischen großen und mittleren sowie kleinen Betrieben kommen.
Des Weiteren haben neun osteuropäische EU-Mitglieder BITs (Bilateral Investment Agreements) mit den USA abgeschlossen. Unternehmen können somit jedes Mitglied des EU-Wirtschaftsraums vor ein ISDS bestellen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Deutschland nicht nur direkt über bilaterale Verträge (z.B.: Deutsch-Pakistanisches Investitionsschutzabkommen), direkt über multilaterale Vereinbarungen (z.B.: ICSID), sondern auch indirekt durch Verträge Dritter vor ein ISDS gestellt werden kann.

Verfahren
Entgegen der oft erhobenen Kritik können ISDS keine Regulierungen, geschweige denn Gesetze für nichtig erklären. Geklagt werden kann nur, wenn eine der vier folgenden Investorenrechte verletzt wurde: 1, Nicht-Diskriminierung gegenüber anderen Investoren 2, Schutz vor Enteignung ohne Kompensation 3, gerechte und billige Behandlung 4, freier Transfer von Kapital.
Idealerweise sollten alle Investoren und Händler gleich und gerecht von den Regierungen und vor heimischen Gerichten behandelt werden. Fehler oder unrechtmäßiges Handeln können jedoch auftreten. Jean-Claude Juncker betonte in seiner Antrittsrede vom 22. Oktober 2014, dass die nationale Rechtsprechung durch Schiedsgerichte nicht außer Kraft gesetzt wird. Das stimmt, sie wird lediglich ergänzt. ISDS dienen somit nicht als Ersatz des vorhandenen Rechtssystems und -ordnung, sondern ergänzen diese und werden als finale Instanz betrachtet, wenn vorausgehende Entscheidungen nicht den vereinbarten Maßstäben genügen.

ISDS können weder Recht noch Regulierungen für nichtig erklären, sondern lediglich über monetäre Kompensationen für mögliche Verluste des Investors entscheiden. Im Jahre 2012 wurden weltweit 244 Verhandlungen abgeschlossen. 42% wurden zugunsten der Staaten entschieden, lediglich 31% sahen eine Entschädigung für den Investor vor. Die restlichen 27% wurden vorzeitig beigelegt, was wiederum einen Ausgang zugunsten des Staates darstellt.

Das Abkommen zwischen den größten Wirtschaftsräumen der Welt und die Schaffung des größten Freihandelsraums mit 800 Millionen Einwohnern, welcher 50% der Weltwirtschaftskraft, 1/3 des Welthandels auf sich vereinigt und täglich einen Handelswert von mehr als zwei Milliarden Euro realisiert, wird Signalwirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben, auch auf Staaten wie beispielsweise die Volksrepublik China, Russland oder Indien, welche sich weiterhin dagegen aussprechen ISDS-Klauseln in Verträge zu integrieren. Durch die neu geschaffenen Handelsstandards des TTIP würden die Staaten die Notwendigkeit sehen, sich diesen Mechanismen zu öffnen, mit bekannten positiven Effekten für ausländische Investoren. Doch auch auf multilateraler Ebene könnte es Anstoß zum Umdenken sein. TTIP, CETA oder TPP sind nur Konsequenzen aus dem Stocken der WTO-Verhandlungen der Doha-Runde. Die Chance positive Impulse an die Verhandlungen auszusenden und damit die Konstitutionalisierung der Investitionsgerichte mit festen Gerichtsbarkeiten bei der WTO, sollten wir ergreifen.
Eine kurze Bemerkung zur Transparenz. Im CETA-Text Article X.33 ist festgehalten, dass die Anhörungen öffentlich zugänglich sind, soweit natürlich nicht das Vortragen von Geschäftsgeheimnissen auf der Tagesordnung steht.

Es darf nicht vergessen werden, dass Deutschland Kapitalexporteur ist - mit einem Zahlungsbilanzüberschuss von 250,6 Milliarden € im vergangenen Jahr.
Deutsche Investoren im Ausland haben ein großes Interesse an klaren Regeln und einem ausgefeilten Investorenschutz, der eben ISDS miteinschließt. Es sind, wie Frau Wallach sagt, nicht nur die US-Unterhändler welche eine entsprechende Klausel im Abschlusstext finden wollen, sondern auch die europäische Seite hat im Rahmen des Verhandlungsmandates den Wunsch nach ISDS geäußert.

Zurzeit sind die Verhandlungen noch im Gange und man sollte nicht schon vor Bekanntgabe ihrer Ergebnisse Prophezeiungen anstellen, welche am Ende vielleicht gar nicht zu treffen. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft diesen Prozess kritisch, aber auch sachlich begleitet und das Recht auf Partizipation ausübt. Ich will am Ende festhalten und Sie beruhigen, dass die Verhandlungsergebnisse unterzeichnet und ratifiziert werden müssen, bevor sie in Kraft treten. Als gewählter Volksvertreter kann ich versprechen, dass dies im Einklang mit der demokratischen Rechtsordnung auf dem unser Staat basiert, stattfinden wird.

Mit besten Grüßen

i.A.
Christian Luckner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Büroleiter

Büro Tobias Josef Zech MdB