Frage an Tobias Reiß von Ralph L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Reiß
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen Entscheidungen vom 21.7.2000 und 27.11.2007 den Kreis von Fraktionsfunktionsträgern, die Zulagen aus dem Fraktionshaushalt erhalten dürfen, sehr eng gezogen und auf die Fraktionsvorsitzenden und DEN Parlamentarischen Geschäftsführer, also einen, beschränkt. In der Rechnungslegung 2017 für die Landtagsfraktionen (Drs. 17/23044) wurde erstmals der Kreis der Empfänger von Fraktionszulagen näher bezeichnet. Insgesamt gibt Ihre Fraktion 622.575 EUR oder 11 Prozent hierfür aus.
Dabei fällt auf, dass 24 Funktionsträger (23.8% der Fraktionsmitglieder) Zulagen durch Ihre Fraktion erhalten. Darunter befinden sich auch die Arbeitskreisleiter, die Beisitzer im Fraktionsvorstand und auch der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, ein Gremium des Gesamtparlaments.
Wie lässt sich diese Praxis Ihrer Fraktion mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vereinbaren und planen Sie hier, diese Praxis zu ändern?
Darüber hinaus fällt auf, dass der Fraktionsvorsitzende eine Fraktionszulage in Höhe von 150 Prozent der regulären Diät erhält. Wonach berechnet sich diese Zulage wie auch die anderen Zulagen, die Ihre Fraktion zahlt?
Das Thema war Gegenstand einer Prüfung des Bayerischen Obersten Rechnungshofes (ORH) im Jahr 2012, wozu die Landtagspräsidentin ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Steiner zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gewährung von Zulagen an Mitglieder des Bayerischen Landtags mit besonderen Funktionen innerhalb einer Fraktion eingeholt hatte. Nachdem sich das von Ihnen genannte Urteil des BVerfG vom 21.7.2000 nur auf das Thüringer Abgeordnetengesetz bezieht, entfaltet dies keine Bindungswirkung, was auch der ORH so anerkannt hat. Die damals vom ORH geforderte gesetzliche Verankerung der Fraktionszulagen wurde in Art. 3 Abs. 4 Gesetz zur Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Bayerischen Landtag (BayFraktG) umgesetzt. Danach sind Vergütungen an Fraktionsmitgliedern mit besonderen Funktionen zulässig. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. Steiner sind die Zulagen ein legitimer Ausgleich für den mit besonderen Funktionen in der Fraktion verbundenen höheren Zeitaufwand, für den Zuwachs an Pflichten und für eine gesteigerte politische Verantwortung in der Fraktion, zwischen den Fraktionen sowie innerhalb und außerhalb des Parlaments. Die Fraktionen verfügen bei der Frage, welche besonderen Funktionen (mit Funktionszulagen) erforderlich sind, über eine Einschätzungsprärogative. Die Höhe der einzelnen Fraktionszulagen berechnet sich nach einem bestimmten Prozentsatz der Abgeordnetenentschädigung. Sie ist in der jährlichen Rechnungslegung der Fraktionen veröffentlicht.
Beste Grüße
Tobias Reiß