Sehen Sie die Grundwerte der Grünen mit der überwiegenden Zustimmung Ihrer Partei zu einer Corona-Impfpflicht noch gegeben und wenn ja inwiefern?
Sehr geehrter Herr B., Die Grünen erschienen in den letzten 30 Jahren neben Umweltschutz auch für Gleichberechtigung, Menschenrechte, Minderheitenschutz, offenen Diskurs und Nähe zur Natur zu stehen. Inwiefern sind diese Werte neben dem Auschluss aus dem öffentlichen und teilw. auch dem Berufsleben durch 2G+ damit zu vereinbaren, die Bürger* zu einer Corona-Impfung mit Impfstoffen verpflichten zu wollen, die 2019 auf eine nicht mehr existierende Variante entwickelt wurden, mit der auch geimpft/geboosterte Menschen sich und andere anstecken können und Krankenhausaufenthalte nur bedingt verhindert werden (Datenlage z. Impfstatus im KH/ITS ist bislang nicht klar)? Auch die Nebenwirkungen sind noch nicht abschließend geklärt. Für die von der EMA bedingt zugelassenen, neuartigen Impfstoffe liegen nicht alle Daten vor. Die klinischen Studien laufen bei Pfizer z.B. noch bis Mai 2023 (https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04368728)
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die dramatischen Entwicklung der Corona-Pandemie, die stark die Freiheit der gesamten Gesellschaft betreffenden Maßnahmen wie immer wiederkehrende Lockdowns mit starken Kontaktbeschränkungen und gravierenden Folgen insbesondere für Kinder, aber auch ökonomischen Konsequenzen zeigen wie notwendig es ist, sich mit der Einführung einer Impfpflicht zu beschäftigen. Angesichts der Situation in den Krankenhäusern, den sich zahlreichen aufstauenden und verschobenen Operationen und den massiv höheren Hospitalisierungsrisiken von Ungeimpften, ist eine höhere Impfquote nun und vor allem mittelfristig leider unbedingt notwendig. Meiner Meinung nach dürfen wir die Verantwortung als Gesellschaft nicht ungleich verteilen und auf Dauer nicht ausgerechnet die Menschen mehr belasten, die in dieser Pandemie sowieso schon überproportional viel leisten. Nicht nur aus Eigenschutz, sondern eben auch um das Risiko einer Infektion zu senken und damit Infektionsketten präventiv zu brechen, sowie um im Falle einer Infektion eine geringere Ansteckungsgefahr dazustellen und außerdem die Kapazitäten auf den Intensivstationen für vulnerable Gruppen freihalten zu können, braucht es eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung. Daher ist klar: Die Impfquote muss deutlich gesteigert werden.
Ich bin mir bewusst, dass eine allgemeine Impfpflicht einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte darstellt und nur die Ultima Ratio sein kann. Deshalb begrüße ich es, dass Gruppenanträge aus dem Deutschen Bundestag auch Vorschläge wie eine altersbezogene Impfpflicht in die Debatte miteinbringen, auch wenn ich in Anbetracht der aktuellen Situation dazu tendiere, eine allgemeine Impfpflicht zu unterstützen. Ich werde mich mit diesen Gruppenanträgen in den kommenden Wochen weiter intensiv auseinandersetzen, um mir eine abschließende Meinung zu bilden.
Klar ist, dass die Frage der Einführung einer Impfpflicht in Parlament und Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Politik muss die Warnungen der Wissenschaft über Änderungen des Virus und der Pandemiedynamik ernst nehmen, auch wenn das eine Änderung der eigenen Haltung bedeutet.
Freundliche Grüße
Tobias B. Bacherle