Tobias B. Bacherle 2020
Tobias B. Bacherle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter M. •

Frage an Tobias B. Bacherle von Peter M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

In vielen Aspekten sympathisieren ich mit den Grünen, doch habe ich ein paar Fragen:

1. Wie stehen Sie persönlich zu dem Vorschlag Ihrer Partei, den Verbrennungsmotor bis 2030 zu verbieten? Sollten nicht eher die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass sich die beste und ökologischste Technik durchsetzt (CO2-Zertifikate, ganzheitliche Umweltauflagen). Die Kutsche musste damals auch nicht verboten werden, damit sich das Auto durchsetzt. Desweiteren sind nicht alle Elektroautos emissionsärmer als Verbrenner (Kohlestrom, Batterieherstellung etc.).

2. Wie sieht Ihr Plan bei der Migrationsfrage aus? Sehen Sie die Lage ähnlich wie Boris Palmer, der meiner Meinung nach sehr vernünftige Argumente hat?

3. Würden Sie für den Fall, eine Koalition der Grünen mit der Union sei unvermeidlich bzw. die einzige Alternative zur Großen Koalition, eine Regierungsbildung nur unter der Voraussetzung unterstützen, dass die CDU direkte Demokratie auf Bundesebene mit trägt? Die CDU ist ja bekanntlich als einzige Fraktion klar gegen bundesweite Volksentscheide, und weiß diese durch ihre Sperrminorität von über einem Drittel der Abgeordneten zu verhindern.

Tobias B. Bacherle 2020
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

entschuldigen Sie bitte, dass Sie erst jetzt eine Antwort von mir erhalten.

1. Wie stehen Sie persönlich zu dem Vorschlag Ihrer Partei, den Verbrennungsmotor bis 2030 zu verbieten?
Die Idee, dass ab 2030 keine weiteren Verbrennungsmotoren zugelassen werden sollen fußt auf den 2050 Zielen, nach denen im Jahr 2050 nur noch emissionsfreie Antriebe fahren sollten. Zurückrechnend gehen wir von einer Nutzungsdauer von etwa 18 Jahren eines Autos aus.
Aber zentral wichtig ist für mich, dass wir bis 2050 einen emissionsfreien Verkehr haben und dafür langfristig die Weichen stellen.
Und für uns im Raum Stuttgart muss dabei klar sein, dass wir nur mit einer Zukunftsfähigen Automobilindustrie den Standort erhalten können. Im Raum Stuttgart sind fast 200 000 Menschen, und damit ein Sechstel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, in diesem Bereich angestellt.
Egal ob bei Daimler, Porsche, bei Zulieferern, Dienstleistern oder Werbeagenturen - es bringt niemandem etwas, wenn wir noch ein paar Jahre gute Absätze haben, der Markt sich dann aber weiterentwickelt hat und unsere Hersteller dabei abgehängt wurden.
Wichtig ist dabei aber auch: Emissionsfreier Antrieb muss nicht gleich batteriebetriebener Elektromotor sein. Diese Technologieoffenheit müssen wir uns in meinen Augen erhalten.

2. Wie sieht Ihr Plan bei der Migrationsfrage aus? Sehen Sie die Lage ähnlich wie Boris Palmer, der meiner Meinung nach sehr vernünftige Argumente hat?
Ich persönlich sehe in Boris Palmers polemischen Interventionen meistens keinen konstruktiven Ansatz erkennen. Oftmals sehe ich vielmehr, dass der Tübinger OB diese Gelegenheiten zur Profilierung nutzt und dabei leider selten konstruktive zu Lösungen beiträgt.
Auf der einen Seite haben wir Menschen, die jetzt hier mit uns leben. Für diese Menschen brauchen wir klare Anreize sich zu Integrieren und wir müssen auch die Möglichkeit dafür geben. Menschen, die hier gut integriert leben und bestenfalls einen Job haben, sollten wir nicht ausweisen und abschieben. Und natürlich müssen wir Deutsch- & Integrationskurse allen die hier sind anbieten (also auch dann, wenn das BAMF Anträge noch bearbeitet. Im Moment sind die Menschen dann auf jeden Fall noch Monate hier)
Und auch für den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutz setze ich mich ein. Nicht nur, weil der besondere Schutz der Familie auch nach richterlichen Urteilen für alle Familien gilt, sondern auch weil ich überzeugt bin, dass eine Trennung der Familie in solchen Situationen dazu führt, dass die Menschen sich nicht auf eine gute Integration konzentrieren können.
Aber kaum Menschen wollen freiwillig Ihre Heimat verlassen. Natürlich, die Gründe, dafür dass Menschen ihre Heimat verlassen, sind vielfältig. Auf der einen Seite treiben Konflikte und Kriege Menschen in die Flucht. Wir müssen hier endlich das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, das UNHCR, anständig finanzieren, sodass eine räumlich nahe und qualitativ hochwertige Versorgung sichergestellt ist.
Auf der anderen Seite müssen wir unsere Handelspolitik in Zukunft auch an ökologischen und vor allem sozialen Standarts ausrichten. Wenn überschüssige EU-Agrarsprodukte in Afrika verkauft werden und damit lokale Märkte zerstört werden, dann kann dies genauso zur Fluchtursache wie durch den Klimawandel bedingte Entwicklungen.
Hieran sollten wir arbeiten.

3. Würden Sie für den Fall, eine Koalition der Grünen mit der Union sei unvermeidlich bzw. die einzige Alternative zur Großen Koalition, eine Regierungsbildung nur unter der Voraussetzung unterstützen, dass die CDU direkte Demokratie auf Bundesebene mit trägt? Die CDU ist ja bekanntlich als einzige Fraktion klar gegen bundesweite Volksentscheide, und weiß diese durch ihre Sperrminorität von über einem Drittel der Abgeordneten zu verhindern.
Mehr Direkte Demokratie ist eines unserer Schlüsselprojekte (Wahlprogramm S. 156), die für uns eine besonders zentrale Bedeutung in den Verhandlungen haben werden. Koalitionsverhandlungen mit der CDU, insbesondere aber mit der CSU werden - nicht nur in diesem Fall - keine einfache Geschichte.
Ein solcher Koalitionsvertrag braucht eine klare grüne Handschrift. Keine Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete mehr, der Kohleausstieg, sind für mich Punkte die erst einmal erfüllt sein müssen.Erst wenn diese Themen gegeben sind, kann ich mir diese Koaltion überhaupt vorstellen.Wie gesagt ist uns mehr direkte Demokratie aber ein wichtiges Anliegen und ein Koalitionsvertrag, der hier keine Verbesserungen mit sich bringt, müsste dies durch immense andere Zugeständnisse erklären..

Mit freundlichen Grüßen
Tobias B. Bacherle

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