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Tina Rudolph
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Frage von Hendrik F. •

Ihre Bundestagsrede Februar: "hochgradig transparente Verhandlungen zum WHO-Pandemieabkommen...IHR-Abkommen". Wie paßt das mit Geheimverhandlungen, nicht veröffentlichter IHR Neufassung zusammen?

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Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank für Ihre E-Mail zum Thema der internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und den Verhandlungen zu einem internationalen Pandemieabkommen der WHO.

Im Internet kursieren zu den laufenden Verhandlungen bei WHO leider viele Desinformationen, die bewusst zur Verunsicherung der Bevölkerung beitragen sollen. Es wird etwa behauptet, dass die WHO mit der Verabschiedung des Abkommens willkürlich Pandemien ausrufen könnte – eine Art Notstandsituation, welche die WHO befähigen würde, über nationale Regierungen hinweg Maßnahmen einzuleiten (sog. „Gesundheitsdiktatur“). Besondere Sorge gilt auch einer vermeintlichen „Einschränkung der Grund- und Menschenrechte“, d.h. dem Einsatz von Maßnahmen wie Maskenpflicht, Quarantäne, Lockdowns und Impfpflichten. Hinzukommt der Vorwurf irregulärer vermeintlicher Geheimverhandlungen und irregulärer geheimer oder zurückgehaltener Dokumente. Zu all diesen Behauptungen hat im September 2023 im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eine öffentliche Anhörung stattgefunden, deren Aufzeichnung ich Ihnen sehr ans Herz legen würden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die meisten der Bedenken hier durch das Entkräften der Falschinformationen ausgeräumt werden konnten: https://www.bundestag.de/mediathek/ausschusssitzungen?videoid=7557187#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTU3MTg3&mod=mediathek

Der WHO-Pandemievertrag und die Überarbeitung der IGV werden von den 194 Mitgliedsstaaten gemeinsam verhandelt. Es werden hier also keine Entscheidungen ohne die WHO Mitgliedsstaaten getroffen, die dann Bestand hätten und durchgesetzt werden könnten. Dazu hat die WHO weder die Befugnisse, noch die Möglichkeiten (schon gar nicht Sanktionsmöglichkeiten), sondern die WHO wird auch weiterhin im Grunde Normen setzen und Empfehlungen aussprechen, die Nationalstaaten dann umsetzen können - oder eben nicht. Daran wird sich nichts ändern. Die IGV müssen bspw. auch vor dem Inkrafttreten durch die Weltgesundheitsversammlung. Dafür ist der nächste Termin im Mai 2024 und auch wenn Nationalstaaten zu dem sehr späten Zeitpunkt einzelne Bestandteile der IGV meinen nicht mittragen zu wollen, dann können sie es dort auch immer noch offiziell anbringen. Bitte schauen Sie dazu auch gern in den Artikel 21 und fortfolgende in der WHO-Verfassung (https://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/constitution-en.pdf?ua=1 ). Ein zukünftiger Pandemievertrag - so er denn tatsächlich kommen wird - wird sogar durch den Deutschen Bundestag gehen und ihm dort ausdrücklich zugestimmt werden müssen. Nationalstaaten sind üblicherweise sehr sensibel und sehr sorgsam, wenn es darum gehen könnte, dass nationale Befugnisse, bzw. Souveränität angetastet werden könnten. Sie finden deshalb an sehr vielen Stellen in den Verhandlungsprotokollen immer wieder entsprechende Passagen, die diese Sensibilität und Zurückhaltung zum Ausdruck bringen. Entsprechend finden sich in den Protokollen der Kontrollgruppen und Verhandlungsgruppen auch entsprechende Aussagen, die genau das unterstreicht, dass die Mitgliedsstaaten am Ruder sind und es nicht aus der Hand geben. Wenn Sie zum Beispiel nach den Ergebnissen darauffolgender Sitzungen zu den IGV auf der WHO Website schauen und diese miteinander vergleichen, dann sehen Sie, dass die Kritikpunkte aufgenommen wurden und die Texte entsprechend der Einbringungen der Nationalstaaten angepasst wurden. Es kann als ein sehr guter Ausdruck der demokratischen Kontrolle verstanden werden.

In den entsprechenden Verhandlungsgremien sitzen Fachexperten und Fachexpertinnen auch aus Deutschland und alle relevanten Ministerien in Deutschland sind hierzu im regelmäßigen Austausch. Alle relevanten Verhandlungsstände und Dokumente finden Sie auf der Website der WHO. Dort kann man sich auch Sitzungen anschauen. Es besteht ein hohes Maß an Transparenz.

Ich sende Ihnen hier zwei Links, wo Sie alle notwendigen Materialien finden sollten:

https://www.who.int/teams/ihr/ihr-review-committees/review-committee-regarding-amendments-to-the-international-health-regulations-(2005) 

https://apps.who.int/gb/wgihr/

Hier finden Sie alle Materialien der Verhandlungssitzung aus Februar 2024: https://apps.who.int/gb/wgihr/e/e_wgihr-7.html

Wie zum Beispiel auch den derzeitigen Verhandlungsständen auf der WHO Website zu entnehmen ist, bleibt die Entscheidung darüber, ob in einer nächsten Pandemie bspw. Ausgangssperren oder ähnliche Maßnahmen verhängt werden eine Angelegenheit die jeder einzelne Nationalstaat für sich allein entscheidet. Daran wird sich nichts ändern. Gleichzeitig ist es selbstverständlich, dass Staaten für zwischenstaatliche Prozesse natürlich Vereinbarungen treffen muss, die bspw. den Personen- oder Güterverkehr zwischen unterschiedlichen Ländern im Falle einer Pandemie regeln, um Bevölkerungen eben größtmöglich schützen zu können. Solche Absprachen beinhalteten die bestehenden IGV seit 2005 bereits. Auch die Entscheidung dafür welche Arzneimittel in einer nächsten Pandemie wirkungsvoll sind und deshalb empfohlen werden, läuft letztlich nationalstaatlich ab. Klinische Studien müssen nach wissenschaftlichen Kriterien Sicherheit und Wirksamkeit belegen. Das wird für eine Zulassung bspw. durch die Europäische Arzneimittelbehörde geprüft. Erst bei Erfolg und erst dann machen entsprechend das Paul-Ehrlich Institut und das Robert-Koch Institut in Deutschland Handlungsempfehlungen nach denen man sich in Deutschland richtet. Dieses System ist effektiv. Beispielsweise sind zwei ebenfalls in Deutschland entwickelte Impfstoffe an diesen hohen Hürden genauso gescheitert (CureVac und Deutsches Zentrum für Infektionsforschung) wie andere Medikamente, die man zunächst für wirksam hielt. An diesem Prozess werden die IGV und ein Pandemievertrag nichts ändern.

Die Covid-19-Pandemie hat sehr deutlich gemacht, dass Viren nicht an Grenzen halt machen und wie wichtig es ist, grenzüberschreitenden Gesundheitsrisiken gemeinsam und global zu begegnen. Denn in einer Pandemie ist niemand sicher ist, solange nicht alle sicher sind. Das internationale Gesundheitskrisenmanagement muss daher dringend gestärkt werden, um künftig besser auf internationale Krankheitsausbrüche mit pandemischem Potenzial reagieren zu können. Für uns in der SPD-Bundestagsfraktion bedeutet dies insbesondere höhere globale Investitionen in Pandemieprävention und -vorsorge und auch die weltweite Stärkung von Gesundheitssystemen, die Ausbildung und die Bereithaltung von Fachpersonal sowie den Auf- und Ausbau von Laborkapazitäten. Die Pandemie hat zudem gezeigt, dass die Schnittmenge von Mensch- und Tiergesundheit sowie Ökosystemen mehr Beachtung finden muss, um die Übertragung von Zoonosen mit pandemischem Potenzial durch Wild- und Nutztiere zu verhindern.

Aus Perspektive der SPD-Bundestagsfraktion ist es das Ziel der aktuellen Verhandlungen bei der WHO, diese Lücken in der internationalen Pandemievorsorge zu schließen. Es sind wichtige Schritte erforderlich, um sicherzustellen, dass die WHO ihre Mitgliedsstaaten etwa noch schneller als bisher vor Gefahren warnen oder sie noch besser bei der Vorbereitung auf Gesundheitskrisen – z.B. durch die Verbesserung von Meldeketten und den optimierten Austausch von Informationen und Daten unterstützen kann. Es geht zudem darum, dass globale Lieferketten auch in einer Krise funktionieren und u.a. Impfstoffe, Therapeutika und Diagnostika weltweit gerecht verteilt werden. Menschen müssen überall auf der Welt die besten Möglichkeiten der Vorbeugung, des Schutzes und die bestmögliche Gesundheitsversorgung haben. Dazu gehört auch, Mechanismen zu vereinbaren, die zielgerichtete Forschung und Entwicklung global stärken.

Insgesamt unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion grundsätzlich sowohl die Verhandlungen zu einem globalen Pandemieabkommen als auch die Reform der IGV, um die weltweite Pandemievorsorge zu stärken. Es ist unsere Überzeugung, dass die aktuellen Überlegungen nicht zu Lasten unserer nationalen Souveränität gehen, sondern uns in einer Pandemie erst handlungsfähig machen.

 

Ich hoffe, Ihnen mit diesem Schreiben etwas mehr Klarheit über den Sachverhalt und die Zielrichtung der Debatte gegeben zu haben.

 

Mit freundlichen Grüßen

Tina Rudolph

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