Frage an Tim Renner von Sophia S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Renner,
als Wählerin in Ihrem Berliner Wahlkreis habe ich viele Fragen zur Integration Geflüchteter.
- Was tun Sie, was tut die SPD, um Geflüchteten schneller als bisher bei der Integration zu helfen?
- Was tun Sie, um die oft schon für uns Deutsche schwer zu durchdringenden, zeit- und nervenraubenden Verwaltungsregeln für alles - Asylverfahren, WBS, Zeugnisanerkennung, Arbeitserlaubnis - transparenter zu gestalten, zu vereinfachen?
- Was wollen Sie unternehmen, damit sich in den Ausländerbehörden eine dienstleistungsorientierte, kundenfreundliche Kultur etablieren kann?
- Was schlagen Sie vor, um die Mitarbeiter in den Ausländerbehörden besser auf den Kontakt mit Geflüchteten vorzubereiten? (Einstellungsvoraussetzungen überarbeiten, interkulturelle Kommunikation trainieren, Sprachkompetenz ausbauen, Kurse über politische Systeme, Konfliktgebiete, Kultur, Verfolgung anbieten etc)
- Werden Sie sich für die Aussetzung der sog. Alterschätzung junger Geflüchteter einsetzen, eine bundes- und europaweit umstrittene, höchst ungenaue Praxis, die außer im Land Berlin nur in HH angewendet wird? Die von einer kleinen Gruppe Rechtsmediziner gepushten Genital- und Röntgenuntersuchungen werden die von Klinikern wie Kinder- und Jugendärzten und -psychiatern sowie von Menschenrechtlern abgelehnt - und zwar mangels Evidenz bei geradezu willkürlich anmutenden Margen von +/- 2 Jahren und wegen der gravierenden Auswirkungen auf die Zukunfts- und Integrationschancen unbegleiteter Minderjähriger.
- Wo sehen Sie in der nächsten Legislatur die größere Herausforderung - in der Integration einer subjektiv oder objektiv marginalisierten deutschen Bevölkerungsgruppe am rechten Rand, oder in der Integration Geflüchteter?
- Anders gefragt: Werden Sie sich in der kommenden Legislatur dafür einsetzen, politische Bildung dorthin zu bringen, wo Ignoranz, Hass und Aggressivität jegliche demokratische Auseinandersetzung unterminieren?
Vielen Dank für Ihre Antworten!
Sehr geehrte Frau S.,
danke für Ihre Fragen - ich muss zugeben, dass die Flüchtlingspolitik bisher nicht zu meinen Schwerpunkten gehört. Ich kenne auch die Verwaltungsabläufe und -verfahren noch nicht so gut, dass ich Ihnen an dieser Stelle konkrete Verbesserungen vorschlagen könnte. (Natürlich hat die SPD eine ganze Reihe von Forderungen zu dem Thema, siehe bspw. https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Regierungsprogramm/Hintergrund_Integrations-_und_Fluechtlingspolitik.pdf )
Im Allgemeinen halte ich folgenden Grundsatz für wichtig: Wenn es uns gelingt, den vielen Geflüchteten in Deutschland die Möglichkeit zu geben, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, wird dies unsere Gesellschaft bereichern. Es ist darum wichtig, die Menschen von Anfang an mit Willkommensklassen, Sprachkursen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie der zügigen Anerkennung von Qualifikationen bestmöglich auf ein Leben in Deutschland vorzubereiten - und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Zu ihren beiden letzten Punkten möchte ich aber dennoch gerne konkret Stellung nehmen, weil Sie einen interessanten Punkt ansprechen. Es scheint nämlich tatsächlich so zu sein, dass wir uns beim Thema Integration künftig nicht mehr nur über die Integration ausländischer Menschen in unsere Gesellschaft nachdenken müssen. Vielmehr müssen wir uns auch die Frage stellen, wie wir den Teil unserer Bürgerinnen und Bürger, der (aus welchen Gründen auch immer) der Demokratie inzwischen mit teils offener Verachtung gegenüber tritt, wieder in den demokratischen Grundkonsens und in den demokratischen Diskurs integrieren können. Mein persönlicher Tipp wäre: Wir müssen in Deutschland endlich wieder anfangen, über Verteilungsgerechtigkeit zu sprechen.
Beste Grüße
Tim Renner