Frage an Tim Ostermann von Heike R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Ostermann,
ich, wie auch mein Freundeskreis, haben den persönlichen Eindruck, Frau Merkel unterscheidet in Ihrer Flüchtlingspolitik nicht ansatzweise zwischen Flüchtlingen und Migranten,sie lässt ungeprüft alle rein, so zumindest unsere private Überzeugung; Weshalb können wir uns nicht, wie es in Kanada, Australien, Schweiz,..usus ist, selbst aussuchen, wer immigrieren darf? (Flüchtlinge nehme ich aus meiner Frage aus)
2. Wann endlich gelten in der EU in allen Mitgliedsstaaten für Flüchtlinge die gleichen Sozialstandards? Damit entfällt doch dann der Anreiz, durch 6-7 Länder zu kommen, in denen Frieden herrscht, um dann erst bei uns zu sagen, man suche Schutz? Oder?
3.Verschiedenen Medien entnehme ich, das Russland Cyberkrieg gegen Deutschland führt. Mich verwundert dies nicht, ist Russland doch ein politischer Gegner.
Quelle: http://www.huffingtonpost.de/2016/12/08/putin-bundestagswahl-2017-manipulieren_n_13514976.html?utm_hp_ref=germany
Weit schlimmer finde ich, wenn unsere Freunde und Verbündeten, wie die USA und GB uns ausspionieren und wir dies anscheinend einfach hinnehmen;
Quelle:
http://www.huffingtonpost.de/2016/12/09/wikileaks-nsa-snowden_n_13527340.html?utm_hp_ref=germany
Ist meine Sicht der Lage falsch? Wie finden Sie es, wenn uns Freunde ausspionieren?
4. Woher nimmt die Merkel Regierung die Milliarden für die Flüchtlinge, hat aber kein Geld für Rentner?
quelle:
http://www.huffingtonpost.de/wolfgang-kubicki/rente-fdp-kubicki-spd-reform-altersarmut_b_13426106.html?utm_hp_ref=germany
5. Merkel akzeptiert nicht die Entscheidung ihres eigenen Parteitages zur doppelten Staatsbürgerschaft, sehr wohl akzeptiert sie aber ihre Wahl durch den gleichen Parteitag; Können Sie verstehen, dass ich Frau Merkel für unverbindlich halte?
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. Dezember 2016.
Die von Ihnen geäußerten Bedenken hinsichtlich der Migrationskrise kann ich gut verstehen. Ich stimme Ihnen dahingehend zu, dass Zuzugszahlen, wie wir sie im letzten Jahr erlebt haben, auf Dauer nicht tragbar sind. Die Reduzierung der Zuzugszahlen ist eine große Herausforderung. Dies kann nur über intensive Grenzkontrollen geschehen, die an den EU-Außengrenzen ansetzen müssen. Brüssel hat hierzu erste Maßnahmen in die Wege geleitet. Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive sollten gar nicht erst in die Europäische Union gelassen, sondern direkt an der Grenze zurückgewiesen werden. Sollte die Absicherung der EU-Außengrenzen nicht möglich sein, muss es auch zu nationalen Maßnahmen der Grenzsicherung an unserer Grenze kommen. Eine aus meiner Sicht effektive Maßnahme ist die Einrichtung von Transitzonen. Dies hat zuletzt der CDU-Bundesparteitag - unter anderem aufgrund eines von mir federführend erarbeiteten Antrags des CDU-Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe - bekräftigt. Schon in den beiden letzten Jahren haben wir mit den zwei Asylpaketen eine Reihe von Verbesserungen in diesem Spannungsfeld umsetzen können. Durch die Ausdehnung der sicheren Herkunftsstaaten auf nunmehr alle Länder des Westbalkans und den damit einhergehenden Beschränkungen haben wir den monatlichen Zuzug aus diesen Staaten um 90 % reduziert. Wir haben mit dem Ankunftsnachweis, Verbesserungen beim Datenaustausch und Verfahrensbeschleunigungen nun auch die Voraussetzungen geschaffen, den vorherigen Zustrom der Menschen effizient anzugehen. Der Familiennachzug für Menschen mit nachrangigem Schutz ist für 2 Jahre ausgesetzt worden und auch bei Syrern kommt es nun wieder zu einer Einzelfallprüfung, ob tatsächlich Asylgründe vorliegen. Diese Asylpakete sollten wir inhaltlich als Erfolg werten. Es wäre nun noch wichtig, dass die Grünen und die SPD endlich ihren Widerstand im Bundesrat dagegen aufgeben, die drei nordafrikanischen Staaten Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Wichtig ist, dass weiter strikt zwischen Schutzbedürftigen und Migranten ohne Bleibeperspektive getrennt wird.
Ihre Auffassung, dass angeglichene Sozialstandards für Flüchtlinge innerhalb der EU den Anreiz für eine Einreise nach Deutschland verringern würden, teile ich. Wie zu den Hochzeiten des Flüchtlingszustroms zu erkennen war, sind Schutzsuchende bewusst nach Deutschland immigriert, obwohl sie bereits in einem anderen Mitgliedsstatt der EU Schutz hätten finden können. Leider ist ein aus der Asylpolitik erwachsenes, komplett vereinheitlichtes Sozialsystem unrealistisch. Wichtig ist jedoch, auf europäischer Ebene eine Einigung darüber zu finden, wie Migration aus Gründen sozialer Vorteile verhindert werden kann. Die EU muss meiner Meinung nach in diesem Punkt sowie bei der Flüchtlingspolitik im Allgemeinen noch enger zusammenarbeiten und gemeinsame Lösungen finden. Die Bundesregierung arbeitet jedoch auch weiter aktiv daran mit, Vereinbarungen mit anderen Staaten zu schließen und vor allem europäische Wege in Form eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu finden.
Zu Ihrer Frage nach der Finanzierung der Flüchtlingspolitik möchte ich zunächst festhalten, dass kein direkter Zusammenhang zwischen den Rentenzahlungen und der Bewerkstelligung des Migrationsstroms besteht. Das Thema Rente muss langfristig angegangen werden und sich schrittweise an die demographische Entwicklung unserer Gesellschaft anpassen. Die Bundesregierung hat erst vor kurzem neue Rentengesetze verabschiedet, die ebendiese Entwicklungen berücksichtigen und auch dem immer bedeutender werdendem Thema der Altersarmut entgegenwirken sollen. Die finanzielle Absicherung ist in den kommenden Jahren gesichert, so dass andere Maßnahmen der Sozialgesetzgebung, wie auch die Sozialausgaben im Zuge der Flüchtlingspolitik, die Zahlung der Renten nicht einschränken werden.
Zum Beschluss des CDU-Bundesparteitages zur doppelten Staatsbürgerschaft: Es handelt sich nicht um einen Anti-Merkel-Beschluss, was bei der schon seit geraumer Zeit nahegelegten Personalisierung nahezu alle inhaltlichen Fragen besonders in den Medien anklang. Es ist keine Katastrophe, dass die Mehrheit der Delegierten auf dem Bundesparteitag in einer Sachfrage anderer Auffassung als die Bundesvorsitzende ist. So etwas kommt in demokratisch verfassten Organisationen regelmäßig vor. Damit wird nicht Angela Merkel oder gar die gesamte Parteiführung in Frage gestellt. Dass die Basis ein Problem mit dem Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft hat, ist keine Neuigkeit. Sehr viele in der CDU sind weiterhin der Auffassung, dass die Staatsbürgerschaft erst am Ende der Integration stehen kann. Sie ist nicht Mittel zur Integration. Ich finde es daher konsequent zu fordern, zum alten, aus unserer Sicht besseren Rechtszustand zurückzukehren. Ich denke, dass Angela Merkel den Parteitagsbeschluss im Zuge der Aufstellung des Wahlprogramms nicht ignorieren wird.
Das Thema der Cyber-Sicherheit hat im letzten Jahr enorm an Bedeutung zugenommen. Wir erleben Cyber-Angriffe auf den Deutschen Bundestag, digitale Wirtschaftsspionage, hybride Bedrohungen und Angriffe auf unsere digitale Infrastruktur. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat das Thema jüngst zu einem politischen Schwerpunkt für dieses Jahr ernannt und in seinem in der FAZ veröffentlichten Forderungskatalog erneut aufgegriffen. Den Einsatz von Cyberspionage und die bewusste Beeinflussung von Medien im Wahlkampf sehe ich - ebenso wie Sie - als Bedrohung an. Vieles deutet darauf hin, dass diese Angriffe insbesondere in Russland ihren Ausgangspunkt haben. Dies muss m. E. in Gesprächen mit der russischen Regierung mit deutlichen Worten thematisiert werden.
Mit vermeintlichen Ausspähaktionen unserer westlichen Verbündeten beschäftigt sich derzeit der NSA-Untersuchungsausschuss. Dieser wird im Frühjahr einen Abschlussbericht vorlegen. In diesem Bericht werden auch konkrete Vorschläge unterbreitet, wie wir in Deutschland unsere Abwehrmöglichkeiten verbessern können. Abschließend möchte ich aber betonen, dass es für mich bei solchen Aktionen auch immer darauf ankommt, ob sie in feindlicher Willensrichtung erfolgen oder nicht. Insofern möchte ich schon zwischen russischen und amerikanischen Aktionen unterschieden wissen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen Ihre Fragen hinreichend beantworten konnte.
Freundlich grüßt Sie
Ihr
Tim Ostermann