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Frage von Martina J. •

Frage an Ties Rabe von Martina J. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Rabe,

in Ihrer Stellungnahme über die notwendigen Verbesserungen des Unterrichts fällt mir folgendes auf:
Sie fordern „-eine Entwicklung von geeigneten und standardisierten Unterrichtsmaterial für individualisierten Unterricht auf für die Schulklassen ab Klasse 5“.

Heisst dass, dass es überhaupt noch kein geeignetes und vor allen Dingen a) standardisiertes und b) wissenschaftlich überprüftes Unterrichtsmaterial zum individualisierten Lernen für die Klassen 5 und 6 in den zukünftigen Primarschulen gibt?

Was ja bedeutet, dass man nicht weiß, ob man mit dem eingesetzten Material auch das fördert, was man fördern will ?

Außerdem habe ich noch eine Frage zum Erstlese - und Schreibunterricht. Es gibt inzwischen einige wissenschaftlich Studien mit Kontrollgruppen zu der Methode „Lesen durch Schreiben“ (LdS), die zum Ergebnis hatten, dass
1. in Klassen mit Fibelgruppen signifikant weniger lese- und rechtschreibschwache Kinder produziert wurden (1)* und in den Lesen-durch-Schreiben-Gruppen signifant mehr und
2. die Methode „Lesen durch Schreiben“ Migrantenkinder benachteiligt.(2)*

Zwei dieser Studien fanden in Hamburg statt.
1995/96 (Poerschke) war das Ergebnis: „Kinder mit schlechten kognitiven Voraussetzungen profitierten deutlich mehr vom frontal geführten Fibelunterricht“.
1997 (Hüttis-Graf) waren von den 7 Klassen mit den besten Rechtschreibleistungen eine mit LdS unterichtet worden (drei dieser Klassen kamen aus einem sozial schwachen Einzugsgebiet), von den 7 Klassen mit den schlechtesten Rechtschreibleistungen aber 6 Klassen.

Können Sie mir erklären, warum diese Methode in vielen Hamburger Schulen trotz dieser Ergebnisse eingeführt wurde und immer noch eingesetzt wird?

Mit freundlichen Grüßen
Martina Juhnke

Quellen
1)* http://bildungsklick.de/a/15898/legasthenie-tausenden-von-kindern-koennte-geholfen-werden/
2)* : http://www.wilfriedmetze.de/Vortrag_Zurich_31.5.08.pdf

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Juhnke,

vielen Dank für Ihr Schreiben.

Zurzeit werden in Hamburg die Schülerinnen und Schüler in den Klassenstufen 5 und 6 in der Regel getrennt: Die leistungsstärkeren 50 Prozent besuchen das Gymnasium, 35 Prozent die Gesamtschule und 15 Prozent die integrierten Haupt- und Realschulen.

Wenn künftig die Schülerinnen und Schüler in der Primarschule gemeinsam unterrichtet werden, dann bedeutet das eine erhebliche Veränderung für den Unterricht und stellt neue Anforderungen an die pädagogischen Konzepte und das Unterrichtsmaterial. In der Tat muss hier noch Aufbauarbeit geleistet werden.

Ich bin allerdings zuversichtlich dass das gelingen wird. Deshalb werden jetzt beispielsweise die Lehrpläne überarbeitet. Für die Lehrerinnen und Lehrer der Primarschulen werden umfangreiche Fortbildungen organisiert. Und um die arbeitsintensive Einarbeitungs- und Vorbereitungszeit der ersten Jahre zum Erfolg zu führen, werden übergangsweise zusätzliche Lehrkräfte eingestellt.

Entsprechendes Unterrichtsmaterial bieten die verschiedenen Schulbuchverlage schon jetzt an, allerdings ist es in Hamburg noch nicht flächendeckend eingebürgert. Auch das muss jetzt geleistet werden.

Ich weiß, das ist viel Arbeit auf einmal. Gerade deshalb hat die SPD in den Gesprächen mit der Schulbehörde auch einen Stufenplan für die Einführung der Primarschule durchgesetzt. Wenn Elternrat, Lehrerkonferenz und Schulkonferenz davon überzeugt sind, dass die eigene Schule gut vorbereitet ist, startet die Schule im Schuljahr 2011/2012 zum ersten Mal mit einer fünften Klasse. In weniger gut vorbereiteten Schulen können Elternrat, Lehrerkonferenz oder Schulkonferenz - ein Gremium reicht aus - die "Notbremse" ziehen. Dann wird die Primarschule mit der Klassenstufe fünf erst ein Jahr später im Schuljahr 2012/2013 eingeführt.

Ich bin sicher, dass die zwei Jahre bis dahin ausreichen, um gut vorbereitet die Primarschule zu beginnen. Es wird jetzt darauf ankommen, dass die beteiligten Gremien mit dieser Möglichkeit auch verantwortlich umgehen und sehr sorgfältig die Chancen und Risiken einer frühen oder späteren Einführung der Primarschule vor Ort abwägen.

In Bezug auf die von Ihnen erwähnten Studien zur Methode "Lesen durch Schreiben" gebe ich offen zu, dass ich in diesem spezifischen Fachgebiet der Didaktik / Methodik überfragt bin. Ich kenne weder die Methode noch die Studien.

Als Schulpolitiker habe ich allerdings Erfahrungen gemacht, die Ihren Befund bestätigen: Bestimmte Unterrichtsformen und Methoden halten sich erstaunlich lange an den Schulen, auch wenn wissenschaftliche Befunde dagegen sprechen. Umgekehrt habe ich aber auch eine erschreckende Diskrepanz zwischen den wissenschaftlichen  Untersuchungen kennengelernt. Nicht selten kommen ähnlich aufgebaute wissenschaftliche Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Deshalb muss man auch Studien sehr genau bewerten.

Ich sage Ihnen aber zu, dass ich mich mit dem von Ihnen angesprochenen Thema auseinandersetzen werde und, wenn ihre Kritik zutrifft, meine parlamentarischen Möglichkeiten nutzen werde, um eine Verbesserung herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen

Ties Rabe
Mitglied der Bürgerschaft
Schulpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion