Frage an Thorsten Hoffmann von Sebastian S.
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
darf man erfahren, was einen deutschen Politiker, der dem Wohle des deutschen Volkes und des Landes verpflichtet ist, dazu bewegt, gegen ein Frackingverbot zu stimmen?
Wir sehen in weiten Teilen der Welt, in denen Fracking erlaubt ist und angewendet wird, dass es bei weitem nicht so problemlos und ungefährlich von Statten geht, wie die Industrie es uns und auch Ihnen glauben machen will.
Solange eine wissenschaftliche Langzeitstudie keine Entwarnung in der Angelegenheit geben kann, sollte ein Gesetzgeber unbedingt mit einer klaren Haltung (in diesem Fall ein Verbot) die Grenzen setzen. Für wissenschaftliche Studien gäbe es dort dann immer noch Ermessensspielraum.
Wenn man dann aber sieht, dass dennoch ein solches Verbot im Bundestag abgelehnt wird, entsteht der Eindruck, dass Ihnen als gewählter Vertreter das Wohl und die Gesundheit Ihrer Wähler und offenbar auch Ihrerselbst nicht besonders am Herzen zu liegen scheint.
Wir haben die absolute Verpflichtung, die Umwelt nicht noch weiter zu belasten und zu zerstören. Fracking führt nach aktuellem Stand aller Wahrscheinlichkeit nach genau zum Gegenteil. Und für eine kleine Chance auf das Gegenteil setzen Sie die Gesundheit und die Unversehrtheit der Menschen und Natur aufs Spiel?
MfG
Sebastian Still
Sehr geehrter Herr Still,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Fracking.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gilt, dass es beim Schutz der Gesundheit der Menschen, der Umwelt und des Trinkwassers keine Kompromisse geben darf. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD stellt daher zum Einsatz der Fracking-Technologie klar, dass der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit absoluten Vorrang hat. Zudem haben wir dort vereinbart, dass umwelttoxische Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten nicht zum Einsatz kommen dürfen.
Zur Umsetzung dieser Vorgaben haben das Bundesumweltministerium (BMUB) und das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ein Regelungspaket vorgelegt, das am 1. April 2015 vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Es sieht umfassende Änderungen unter anderem am Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesberggesetz vor. Diese führen bereits zu einer massiven Verschärfung der Anforderungen für den Einsatz der Fracking-Technologie. Sie betreffen u. a. folgende Punkte:
- Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten werden.
- Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen.
- In Nationalparks und Naturschutzgebieten soll die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt werden.
- Für jede Form von Fracking soll künftig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt werden.
- Die Wasserbehörden sollen künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
- Fracking-Gemische müssen künftig beim konventionellen Fracking "nicht wassergefährdend" oder allenfalls "schwach wassergefährdend" sein.
- Die eingesetzten Stoffe sollen zudem umfassend offengelegt werden.
- Beim Umgang mit Rückfluss und Lagerstättenwasser sollen strenge Vorgaben gelten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll auch hier Pflicht sein.
- Das Verpressen von Lagerstättenwasser soll künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist.
Verschärft werden soll auch das Bergschadensrecht. So soll die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt werden.
Anders als bei der o. g. konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Deshalb ist in den Regierungsentwürfen geregelt, dass zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland möglich ist. Für Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein oberhalb 3000-Metern Tiefe wurde ein generelles und unbefristetes Frackingverbot vorgesehen. Lediglich eine eng begrenzte Zahl von wissenschaftlich begleiteten und überwachten Probebohrungen ist unter strengsten Umweltanforderungen möglich.
Nach 2018 sollen in absoluten Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden können. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch äußerst streng gefasst:
- eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei Umweltinstitute) muss den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen,
- die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beim Umweltbundesamt muss die verwendeten Fracking-Gemische als nicht wassergefährdend einstufen und
- alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d. h. insbesondere zum Wasser-, Boden- und Umweltschutz) müssen vorliegen.
Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der o. g. unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden. Dies hat auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Gutachten bestätigt. Sollte eine Fracking-Maßnahme unter all diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten hier die im Bereich der konventionellen Erdgasförderung neu eingeführten strengen Auflagen ebenfalls vollumfänglich. Insgesamt sind die vorgesehenen
Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen also bereits im Regierungsentwurf sehr weitreichend.
In den letzten Wochen haben die Koalitionspartner diese Vorschläge der Bundesregierung ausführlich im Parlament beraten. Die CDU/CSU-Fraktion konnte in den Gesprächen weitere Schutzvorkehrungen für Umwelt und Wasser durchsetzen. So wurden folgende weitere Verschärfungen der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie gegenüber den Regierungsentwürfen vereinbart:
- Klarstellung, dass auch Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmitteln gewonnen wird, ebenfalls in die Ausschlussgebiete für Fracking einbezogen werden sollen.
- Einschränkung des Bestandsschutzes für die bestehenden Genehmigungen zur Verpressung von Lagerstättenwasser, um zu erreichen, dass die Verpressung aufgrund bestehender Genehmigungen schneller beendet wird.
- Konkretisierung des Standes der Technik (also die beste zum Zeitpunkt verfügbare Technik) bei der Verpressung von Lagerstättenwasser,
- Aufhebung der bisherigen Unterscheidung zwischen Fracking zur Erdgas- oder Erdölförderung. Es sollen jeweils die gleichen strengen Anforderungen gelten.
- Streichen der aus unserer Sicht willkürlichen 3000-Meter-Grenze, unter der Fracking unter strengen Auflagen möglich wäre. Damit wird Fracking in unkonventionellen Lagerstätten auch unterhalb von 3000 Metern verboten.
- Einführung einer zusätzlichen Regelung, nach der Vorranggebiete für die künftige Gewinnung von Trinkwasser über die Raumordnung durch die Länder als Ausschlussgebiete gesichert werden können.
- Begrenzung der wissenschaftlichen Erprobungsmaßnahmen auf die für den Erkenntniszuwachs unbedingt notwendige Anzahl.
- Nochmalige Ausweitung der Bergschadenshaftung nun auch auf Schäden durch Erderschütterungen.
Für die CDU/CSU bleibt der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser oberstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen für die Erdgasförderung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen.
Tatsache ist: Die Fracking-Technologie ist ein in der konventionellen Gasförderung in Deutschland seit Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewährtes Verfahren und steht derzeit für rund ein Drittel der heimischen Erdgasförderung. Auch die unkonventionelle Erdgasgewinnung kann einen erheblichen Beitrag für den Umbau der Energieversorgung leisten, denn wir brauchen Gaskraftwerke als Sicherheitsreserve für die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Mit einem geschätzten Vorkommen von bis zu 2.300 Milliarden Kubikmetern, liegen die Schiefergasreserven in Deutschland deutlich über den konventionellen Reserven (ca. 150 Milliarden Kubikmeter). Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnte Schiefergas den derzeitigen jährlichen Gasverbrauch Deutschlands für 13 Jahre decken. Gerade die Abhängigkeit von russischem Erdgas zeigt, dass Deutschland alles tun muss, um neue einheimische Energiequellen zu erschließen - selbstverständlich unter den weltweit strengsten Umweltschutzvorkehrungen.
Ich werde dieses wichtige Thema weiter im Blick behalten und verbleibe bis dahin mit herzlichen Grüßen
Ihr Thorsten Hoffmann