Frage an Thorsten Hoffmann von Felix A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Hoffmann,
Ihre Partei arbeitet momentan mit Hochdruck an der wiedereinführung der anlasslosen Massenüberwachung in Deutschland. Wie einer Pressemitteilung der CDU/CSU letzter Woche zu entnehmen war verlief die Probeabstimmung Ihrer Fraktion zu dem Gesetz in der letzten Woche mit einstimmiger Zustimmung, dh auch sie haben dafür gestimmt.
Was hat sich in Ihren Augen seit dem fulminanten Scheitern des ersten Gesetzes zur VDS 2010 geändert? Teilen sie Einschätzung des BMJV, welches erklärt das Erheben und Speichern von Verbindungsdaten (auch von Minderjährigen und Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten etc.) wäre kein Akt der Überwachung, sondern erst der Abruf?
Man bedenke dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, "Eine weitere Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes [des Bundestages] im März 2011 kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in keinem EU-Land zu einer signifikanten Änderung der Aufklärungsquote von Straftaten geführt habe.". Die Instrumentalisierung der Opfer von Paris pro VDS seitens einiger Unionspolitiker finde ich im übrigen höchst verwerflich, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die VDS Frankreichs diesen Terrorakt nicht verhindern konnte. Sigmar Gabriels Aussage, die VDS in Norwegen (das keine VDS hat) habe bei der Festnahme Breiviks (der vor Ort gestellt wurde) geholfen, wirkt da schon fast symptomatisch.
Was also erhofft sich Ihre Partei von einer Maßnahme, die erwiesenermaßen weder Straftaten verhindern noch aufklären kann und dem Volk endgültig die Illusion der Anonymität seiner Kommunikation nimmt?
Wie werden Sie zu einem solchen Gesetzesentwurf abstimmen?
Auf welcher Argumentation basiert Ihre Entscheidung dazu?
Ich danke im Vorraus für die Beantwortung meiner Fragen :)
Hallo Herr Altemeier,
vielen Dank für ihre Frage bei abgeordnetenwatch.de.
Zu den Aufgaben des Staates gehört die Gewährleistung von Freiheit auf der einen und Sicherheit auf der anderen Seite. Beide Aspekte sind mir sehr wichtig. In besonderen Fällen, etwa bei der gesetzlichen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, muss der Staat eine Abwägung zwischen diesen Aspekten vornehmen. Meiner Meinung nach können wir unsere Freiheit nur dann erhalten, wenn sie geschützt und verteidigt wird. Daher werde ich für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung stimmen.
Entgegen ihrer Kritik ist die Vorratsdatenspeicherung kein Mittel der Massenüberwachung. Ihre private Kommunikation bleibt weiterhin privat und die Verbindungsdaten werden dezentral bei den Kommunikationsprovidern gespeichert – nicht einsehbar vom Staat. Somit stimme ich der Einschätzung des Bundesministeriums für Justiz und für den Verbraucherschutz zu, dass dies kein Akt der Überwachung darstellt. Nur im Falle einer schweren Straftat, z.B. Mord, Vergewaltigung, Verbreitung von Kinderpornographie oder Terrorismus, ist den Behörden ein Abruf möglich. Anders als von Ihnen befürchtet, sind Berufsgeheimnisträger von dieser Regelung ausgenommen. Außerdem gibt es einen Richtervorbehalt und Verbindungsdaten werden nur nach gründlichen Vorermittlungen zugänglich gemacht.
Wie von Ihnen erwähnt, können auch diese digitalen Vorsichtsmaßnahmen nicht alle Straftaten und terroristischen Anschläge verhindern. Allerdings ist die Vorratsdatenspeicherung nicht nur ein Mittel der Prävention, sondern hilft auch bei der Ermittlung nach einer schweren Straftat und der Enttarnung von kriminellen Netzwerken. Die Vorratsdatenspeicherung würde die Aufklärung also erheblich erleichtern, in vielen Fällen überhaupt erst möglich machen. Als ehemaliger Polizist weiß ich, wie wichtig digitale Indizien sind, um Straftaten aufzuklären, besonders wenn es sonst keinen anderen Ansatzpunkt für die Ermittlung gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Hoffmann