Wie stehen Sie zum individuellen Recht auf Asyl auf EU-Ebene und zum non-refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention?
Sehr geehrter Herr Frei,
in einem Beitrag in der FAZ vor anderthalb Jahren haben Sie sich für die Abschaffung des Rechtes auf Asyl in der EU ausgesprochen. Dies wäre natürlich die radikal denkbarste Reform der GEAS der EU.
Im Wahlprogramm fordert die CDU nun eine direkte Überstellung von Antragstellern in Drittstaaten außerhalb der EU.
Nun gibt es aber diese Entwicklungen:
1. Großbritannien ist vor dem EGMR mit seiner Ruanda-Lösung gescheitert.
2. Polen hat das Recht auf Asyl an der Grenze zu Weißrussland ausgesetzt.
3. Es gibt auf polnische Initiative Überlegungen in der EU-Kommission, das non-refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention abzuschwächen, siehe https://www.thetimes.com/article/a67ba2d1-aa5f-4668-a1f1-4911c53cd3b0
Meine Fragen:
Was ist Ihre Perspektive zu diesen Entwicklungen?
Unterstützen Sie die angestrebte Reform der GFK oder setzen Sie eher auf eine Überstellung in Drittstaaten?
Wie würden Sie im dann mit negativen Urteilen des EGMR umgehen?
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Sehr geehrter Herr D.,
unsere Position ist klar und dies haben wir entsprechend in unserem Grundsatz- sowie auch in unserem Wahlprogramm definiert: Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Asylverfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren. Damit zerschlagen wir das menschenverachtende Geschäft der Schlepper und Schleuser. Denn es ergibt in diesem Fall keinen Sinn mehr, sich auf den gefährlichen und auch teuren Weg nach Europa zu begeben. Diese Idee wird bereits heute von einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten unterstützt und dürfte der erfolgversprechendste Weg sein, um illegale Migration nach Europa zu stoppen. Das Beispiel Polens unterstreicht diese Entwicklung. Sofern CDU und CSU die neue Bundesregierung in Europa anführen, werden wir auch für Deutschland, das bisher eher als Bremsklotz auftritt, diesen Weg kraftvoll unterstützen.
Das Gerichtsurteil des britischen High Court bezog sich im Übrigen nicht auf das Drittstaatsmodell an sich, sondern den Status von Ruanda als sicherer Drittstaat. Konkret, ob das ruandische Asylsystem zweifelsfrei sicherstellt, dass keine sog. Kettenabschiebungen in weitere Drittstatten stattfinden, bei denen unter Umständen gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstoßen werden könnte. Dies sah das britische Gericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt seines Urteils als nicht zweifelsfrei gegeben. Grundsätzlich hat aber weder der britische High Court noch der EGMR das Drittstaatsmodell infrage gestellt.
Entscheidend dürfte am Ende immer die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips der Genfer Flüchtlings Konvention sein. Dies steht für uns nicht zur Debatte. Eine Zurückweisung in Lebensgefahr würden wir nie praktizieren. Darüber hinaus gehende Regelungen können aber immer auch politisch angepasst und verändert werden. Schließlich ist man nicht erst in der EU sicher. Auch deshalb wäre unser Drittstaatsmodell ein geeignetes Instrument, um die konkurrierenden Interessen in einen tragfähigen Ausgleich zu bringen.
Persönlich könnte ich mir auch vorstellen, das Individualrecht auf Asyl in der Europäischen Union durch eine „Institutsgarantie“ zu ersetzen, wie ich seinerzeit in einem Gastbeitrag in der FAZ dargelegt habe. Ich füge diesen Beitrag gerne dieser Mail (https://thorsten-frei.de/app/uploads/2024/01/20230718_FAZ_Fremde_Federn_Unser_Asylrecht_gruendet_auf_einer_Luege.pdf) bei.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei