Frage an Thomas Strobl von Clelia d. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Strobl,
ich bin eine in Deutschland geborene Italienerin und beschäftige mich aufgrund meines sozialen Engagements im sardischen Zentrum Heilbronn unter anderem auch mit dem Thema der „Ausländischen Jugendkriminalität“.
Die Intercomites (Komitee der Vorsitzenden und Mitglieder des CGIE (CGIE = Generalrat der Italiener im Ausland)) geben weltweit und auch in Deutschland, ausgewählten Jugendlichen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten die Möglichkeit, sich zu versammeln und Schwierigkeiten zu besprechen, welche die Italiener im jeweiligen Land zu bewältigen haben.
Auch wir sind über die kriminellen Vorfälle sehr besorgt. Wir sind auch über den hohen Anteil der italienischen Schüler auf Sonderschulen besorgt, und über die kleine Anzahl von italienischen Studenten an deutschen Universitäten erstaunt. Gleichzeitig verstehen wir nicht, weshalb in Erwägung gezogen wird, kriminelle Jugendliche des Landes zu verweisen.
Können Sie mir erklären, wie ein ausländischer Krimineller ausgewiesen werden soll, wenn er bereits einen deutschen Pass hat? Kann man ihm diesen wieder abnehmen? Wie soll dies vonstatten gehen, wenn der Kriminelle noch nie einen anderen Pass als den deutschen hatte?
Viele Migranten beschäftigen sich mit der aktuellen Situation. Sie kennen sogar die Ursachen, die möglicherweise zu auffälligem bzw. kriminellem Verhalten von Jugendlichen führen - werden aber nicht gefragt. Es stellt sich ihnen nun immer wieder die Frage: Weist ein Rechtssystem, das kriminelle Jugendliche in ihr Ursprungsland ausweist, nicht das eigene sozialpolitische Scheitern nur von sich, indem es verurteilte Jugendliche ausweist, in „ihr“ Land zwingt, das ihres gar nicht ist, sondern lediglich das ihrer Eltern oder Großeltern?
Mit freundlichen Grüßen
d´A
Sehr geehrte Frau d’Angelo-Grbic,
für Ihren Beitrag möchte ich Ihnen herzlich danken.
Selbstverständlich kann die Ausweisung bei einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von einem Jahr ohne Bewährung nur den Kreis von Personen treffen, die keinen deutschen Pass haben. Ganz ausdrücklich sprach ich in meiner Antwort an Herrn Schulz deshalb auch von „Ausländern“. Ein ausländischer Krimineller mit deutschem Pass ist kein ausländischer Krimineller, sondern ein deutscher Übertäter, und niemand hat die Absicht, einen Deutschen des Landes zu verweisen oder ihm gar die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, – mag er auch Eltern mit ausländischem Pass haben. Ich denke aber, sehr geehrte Frau d’Angelo-Grbic, dass bei der Verurteilung eines Ausländers zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von einem Jahr ohne Bewährung diese Sanktion zu Recht greift. Denn zum einen muss ein Jugendlicher, der zu einer solchen Strafe verurteilt wird, schwere Verbrechen begangen haben – für einen geklauten Apfel bekommt man eine solche Strafe nicht – und zum anderen muss man auch berücksichtigen, dass wer als Ausländer nach Deutschland kommt, in diesem Land ein besseres Leben sucht. Er findet Freiheit und Toleranz. Er findet auch die Chance zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg. Wer aber diese Chance im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen tritt, der hat meiner Ansicht nach sein Gastrecht missbraucht und verwirkt.
In der Diskussion der vergangenen Wochen habe ich mit wachsendem Ärger die Leichtigkeit beobachtet, mit der die Sozialdemokraten jugendliche Gewalttäter und kriminelle Ausländer aus der Verantwortung entlassen. Nicht der Einzelne soll für sein Handeln verantwortlich sein, sondern „gesellschaftliche Umstände“, in denen man dann gerne rasch „Versäumnisse“ erblickt: eine schlechte Bildungs- oder eine misslungene Integrationspolitik. Auch Sie sprechen in Ihrem Beitrag davon, dass die Kriminalität eines Jugendlichen weniger eine individuelle Verfehlung als der Ausdruck eines „sozialpolitischen Scheiterns“ sei. Folgt man dieser Argumentation, dann müsste das Opfer am Ende sogar ein schlechtes Gewissen haben!
So sah es dann auch prompt der Feuilleton-Chef der Zeit, der sich in den vergangenen Wochen fragte, ob der Mann, der in der Münchner U-Bahn beinahe getötet worden wäre, nicht als Teil jener – ich zitiere – „unendlichen Masse von Gängelungen, blöden Ermahnungen, Anquatschungen zu sehen ist, die der Ausländer, namentlich der jugendliche, hier ständig zu erleiden hat." Ganz ehrlich Frau d’Angelo-Grbic, ich teile diese Ausfassung nicht und finde sie empörend.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Thomas Strobl