Frage an Thomas Strobl von Marco W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Strobl,
die Novellierung des Waffengesetzes sieht entgegen dem Feststellungsbescheid des BKA vor an der Energiegrenze von 0,08Joule für sog. Softairwaffen festzuhalten. Selbst das Bundesministerium des Innern (BMI) hat am 09.07.07 davon abgeraten Strafverfahren gegen Händler und Käufer solcher Softairwaffen einzuleiten. Durch den Feststellungsbescheid des BKA vom 18.04.04 wurde eine rechtliche Grauzone geschaffen, welche nun, bei einer Änderung des WaffG in Form des aktuellen Vorschlages, für eine Kriminalissierung deutscher Kinderzimmer sorgt. Dieser Zustand ist untragbar. Das Führungsverbot ist unumstritten richtig und wichtig, wird auch von mir unterstützt, allerdings sollte an der Regelung des BKA-Feststellungsbescheides festgehalten werden. Das Droh- und Gefährdungspotential dieser Nachbildungen ist durch ein Verbot des öffentlichen Führens nicht mehr gegeben, wodurch sich das Festhalten an der 0,08Joule-Grenze meines Erachtens nach nicht notwendig ist.
Meine Frage daher, wie stehen Sie zu dem Sachverhalt der drohenden Kriminalisierung deutscher Kinderzimmer?
Mit freundlichen Grüssen,
Marco Weller
Sehr geehrter Herr Weller,
für Ihre Anfrage zum Thema Novellierung des Waffengesetzes danke ich Ihnen recht herzlich.
Zunächst ist Folgendes festzuhalten: Einer der Schwerpunkte des neuen Waffenrechts ist das Verbot des Führens von Anscheinswaffen. Wie Sie völlig richtig schreiben, geht von den Imitaten echter Schusswaffen ein erhebliches Droh- und Gefährdungspotenzial aus. Aufgrund ihrer täuschenden Ähnlichkeit mit echten Waffen können sie zum Aufbau eines Bedrohungsszenarios in krimineller Absicht eingesetzt und Auslöser einer vermeintlichen Notwehrsituation von Polizeibeamten werden. Mit dem neuen Paragraphen 42 a des Waffengesetzes, der das Führen von Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit verbietet, den Transport in einem verschlossenen Behältnis vorschreibt und die Verwendung ausschließlich auf befriedetem Privatbesitztum erlaubt, sollen eben solche Szenarien verhindert und derartige Waffen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Unter den Anscheinsparagraphen fallen alle Anscheinswaffen, auch wenn diese keine Geschosse beschleunigen können und sie ansonsten keinen waffenrechtlichen Regelungen unterliegen. Für das Führungsverbot ist die kinetische Energie einer Waffe völlig unerheblich; ausschlaggebend ist allein der Umstand der Verwechselbarkeit mit einer echten Schusswaffe. Insofern hat das in Paragraph 42 a vorgesehene Verbot auch keine Relevanz hinsichtlich des Grenzwertes der Geschossenergie, bis zu dem der Umgang mit Spielzeugwaffen für Kinder gestattet ist.
Wie mir Ihre Anfrage bestätigt, besteht bei der Frage nach dem erlaubnisfreien Umgang mit Soft-Air-Waffen für Minderjährige große Unsicherheit. Ursächlich hierfür ist zum einen ein Regelungskonflikt zwischen dem Waffengesetz und der Europäischen Spielzeug-Richtlinie 88/378/EWG, in der die Geschossgrenzwerte für Spielzeugwaffen festgelegt sind, zum anderen eine unterschiedliche Auslegung des von Ihnen erwähnten Feststellungsbescheids des Bundeskriminalamts vom 18. Juni 2004. Zur Klärung des Sachverhalts möchte ich daher wie folgt ausführen:
Nach der Europäischen Spielzeugrichtlinie handelt es sich um Spielzeugwaffen, die von Kindern ab 3 Jahren verwendet werden dürfen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:
1. Aus der Waffe können elastische oder mit elastischen Aufprallspitzen versehene Geschosse bis höchstens 0,5 Joule Bewegungsenergie verschossen werden.
2. Aus der Waffe können harte Geschosse bis höchstens 0,08 Joule Bewegungsenergie verschossen werden, wie dies bei Soft-Air-Waffen der Fall ist.
Soft-Air-Waffen, aus denen harte Geschosse verschossen werden können, die oberhalb dieses Grenzwertes von 0,08 Joule liegen, dürfen nur von Personen ab dem 18. Lebensjahr verwendet werden.
Im derzeit geltenden Waffengesetz ist für Spielzeugwaffen unabhängig davon, ob es sich um weiche oder harte Geschosse handelt, ein Grenzwert von 0,08 Joule Bewegungsenergie festgelegt. Demnach fallen Waffen, deren Geschosse mit einer Bewegungsenergie von über 0,08 Joule bis 0,5 Joule verschossen werden können, unter die waffenrechtlichen Vorschriften der deutschen Gesetzgebung, auch wenn es sich dabei um Spielzeugwaffen im Sinne der Europäischen Spielzeugrichtlinie handelt. Eine solche Verschärfung gegenüber europäischem Recht ist durchaus möglich, da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von europäischem in nationales Recht Spielräume haben. Ein Regelungskonflikt zwischen deutschem und europäischem Recht ist allerdings dadurch entstanden, dass die Vorschriften des Waffengesetzes eine Abgabe von der EU-Richtlinie entsprechenden Spielzeugwaffen an Minderjährige verhindern und somit ein unzulässiges Handelshemmnis darstellen.
Zielsetzung des Freistellungsbescheids des Bundeskriminalamts vom 18. Juni 2004 war es, diesen Widerspruch zwischen EU-Richtlinie und der Formulierung im Waffengesetz zu beseitigen. Entgegen fälschlicher Interpretationen verweist der Feststellungsbescheid unmissverständlich auf die Europäische Spielzeugrichtlinie und die darin -- und von mir oben genannten -- Anforderungen an Spielzeugwaffen. Keinesfalls ist der Feststellungsbescheid als Plädoyer des BKA für die Anhebung des Grenzwerts für harte Geschosse aus Soft-Air-Waffen auf 0,5 Joule Bewegungsenergie zu werten, bis zu dem Minderjährigen die Verwendung erlaubt wäre. Dies hat das Bundesinnenministerium mit Erlass vom 8. Dezember 2004 nochmals eindeutig klargestellt.
Um die entstandene Unsicherheit, die Sorge vor einer drohenden Kriminalisierung deutscher Kinderzimmer auszuräumen und den geschilderten Regelungskonflikt zu beheben, ist daher geplant, bei der Änderung des Waffengesetzes entsprechend der EU-Richtlinie für harte Geschosse einen Grenzwert von 0,08 Joule, für elastische Geschosse einen Grenzwert von 0,5 Joule zu berücksichtigen.
Sehr geehrter Herr Weller, in der Hoffnung, dass ich mit meinen Ausführungen zur Klärung Ihrer Frage beitragen konnte, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr Thomas Strobl MdB