Frage an Thomas Strobl von Günter S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Strobl,
ich bin Beschäftigter bei der Deutschen Post AG, GB Vertrieb BRIEF GSK Süd, mit Sitz in München und verfolge die Mindestlohndebatte für die Briefdienstbranche seit vielen Wochen. Mit Verwunderung habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihre Fraktion, allen voran die Kanzlerin Frau Angela Merkel, die Zusage von Meseberg zurückgezogen hat. Hatte man doch auf der Kabinettsklausur in Meseberg die die Einführung eines Post-Mindestlohns zum 1. Januar 2008 beschlossen.
Die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Entsendegesetz sind im vollem Umfang gegeben. Mit welcher Begründung hat ihre Fraktion die Entscheidung getroffen, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen?
Mit der Deutschen Post werden täglich ca. 90% aller Briefsendungen bearbeitet, befördert und zugestellt, d. h. das ca. 10% der Wettbewerb (Lizenznehmer) zustellt. Wie kann ihre Fraktion da behaupten, dass weniger als 50 % der Mitarbeiter die im Geltungsbereich des mit ver.di und dem Arbeitgeberverband vereinbarten Tarifvertrags zu Grunde zu legen sind?
Sie verhindern als Mitglied ihrer Fraktion, dass Kolleginnen und Kollegen die momentan in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden, zumindest in den Genuss eines Mindestlohns kommen können, und nicht noch parallel zur 40 Stundenwoche noch Geld über Harz IV beziehen müssen, was auch unseren Haushalt erheblich entlastet. Nein, es kann noch weiter reichende Folgen haben, es sind 32.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bei der Deutschen Post in Gefahr. Können sie als vom Volk gewählter Abgeordneter, es mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass tarifierte Arbeitsplätze evtl. wegfallen und der Missbrauch des Lohndumpings vorangetrieben wird?
Mit freundlichen Grüßen
Günter Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Mit dem ursprünglich ausgehandelten Tarifvertrag wurde der Versuch unternommen, unter einer missbräuchlichen Instrumentalisierung der Politik eine Verlängerung des Postmonopols durch die Hintertür zu erreichen. Sie werden daher verstehen, dass wir als CDU/CSU auf Grund dieses unter fragwürdigen Umständen zustande gekommenen Tarifvertrags der Aufnahme der Postbranche in das Entsendegesetz keinesfalls zustimmen konnten -- denn wir wollen einen fairen Wettbewerb, der auch neuen Postdienstleistern den Marktzugang ermöglicht und der den Bürgerinnen und Bürgern, den Verbrauchern zu Gute kommt.
Der entscheidende Punkt ist die von den Unionsparteien geforderte -- und von der großen Koalition vereinbarte -- Tarifbindung von 50 Prozent: Dabei ist es völlig unerheblich, wie viele Briefe von wem transportiert werden. Alleine auf die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von der tariflichen Bindung erfasst werden, kommt es an. Dies war beim ursprünglichen Tarifvertrag nicht gegeben. Insofern haben wir auch keinesfalls -- wie Sie fälschlich schreiben -- die "Zusage von Meseburg zurückgezogen": Wir haben lediglich auf deren Einhaltung gedrungen, wir haben auf der richtigen und vernünftigen Voraussetzung einer 50-prozentigen Tarifbindung beharrt. Schließlich haben wir als Unionsparteien den Kompromiss vorgeschlagen, das Entsendegesetz so zu präzisieren, dass nur diejenigen erfasst werden, die überwiegend Briefdienstleistungen erbringen. Auf diesem Wege wäre die 50-prozentige Tarifbindung erfüllt gewesen. Vom Koalitionspartner SPD wurde dieser Vorschlag aber unverständlicherweise zurückgewiesen -- was den Schluss nahe legt, dass dessen Vorsitzender wohl eher an einer populistischen Selbstdarstellung als an einer sachdienlichen Lösung interessiert war.
Zwischenzeitlich wurde ja vom Arbeitgeberverband Postdienste und der Gewerkschaft ver.di ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt. Dieser erfüllt nun unsere Forderung nach einer Tarifbindung von 50 Prozent; insofern steht aus meiner Sicht einer Aufnahme dieser Branche in das Entsendegesetz nichts mehr im Wege.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Thomas Strobl