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Thomas Strobl
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Frage von Jan O. •

Frage an Thomas Strobl von Jan O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

guten tag,

immer wieder ist von seiten der cdu der begriff "privilegierte partnerschaft" zu hören, wenn es um den eu-beitritt der türkei geht.
alle meine recherchen haben meinen wissensdurst unbefriedigt gelassen. ich kann nirgends finden, was eine "privilegierte partnerschaft" ist.
können sie bitte hier meine unwissenheit schmälern ? können sie mir bitte sagen, wie die eu eine solche vorsieht ? und wo im eu-statut das so geregelt ist ?
wieso hat die cdu nicht das rückgrat, eine voll-mitgliedschaft der türkei deutlcih und unmissverständlich abzulehnen ? so wie das von der cdu vor der letzten bundestagswahl deutlich zu hören war ?
ich danke für eine aussagekräftige antwort.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ocas,

in der Frage einer EU-Mitgliedschaft der Türkei haben meiner Auffassung nach CDU und CSU und auch ich persönlich es nicht an Eindeutigkeit fehlen lassen. Wir haben diese stets ablehnt und unsere Parteivorsitzende Dr. Angela Merkel hat diese Position auch unter unbequemen Umständen – ich denke beispielsweise an den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan im Mai oder an den Antrittsbesuch der Bundeskanzlerin im Oktober 2006 – uneingeschränkt vertreten. Ich persönlich habe in einem Beitrag für die Heilbronner Stimme, der dort zum Jahreswechsel erschienen ist, ausdrücklich festgestellt, dass ich einem Beitritt der Türkei zur EU im Deutschen Bundestag nicht zustimmen könnte. Ich blicke mit großen Bedenken auf die finanziellen Kosten einer solchen Erweiterung und auf den Wanderungsprozess, der einsetzen kann, wenn die Türkei in den Genuss der vollen Freizügigkeit gelangt. Er würde auch die Integration der in Deutschland lebenden Türken erschweren. Maßgeblich ist für mich aber in dieser Frage, dass sich die Türkei der politischen Kultur des Westens nicht uneingeschränkt geöffnet hat. Die großen, unser Denken prägenden historischen Entwicklungen, an deren Ende Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat für uns grundlegend geworden sind, hat die Türkei nicht vollzogen. Darüber hinaus wäre meines Erachtens ein EU-Beitritt der Türkei auch das Ende eines Europas, das mehr ist als eine Freihandelszone und das sich auf ein europäisches „Wir-Gefühl“, das heißt: ein Bewusstsein von Zusammengehörigkeit und Solidarität stützen kann.

Wer der Ansicht ist, dass die Erweiterung der Grenzen Europas bis an den Euphrat automatisch in mehr Integration umschlagen wird, täuscht sich meiner Auffassung nach. Allein aufgrund der Bevölkerungsentwicklung würde dem kleinasiatischen Großstaat nämlich eine Führungsrolle in der EU zufallen. Seine Bevölkerung wächst und wächst - bis zum Jahr 2025 auf 90, bis 2050 auf mehr als 100 Millionen. Im Falle eines Beitritts bedeutet dies, dass die Türkei die größte Gruppe im EU-Parlament stellt und ihr im Ministerrat größtes Gewicht zukommt. Es ist naiv zu glauben, dass eine solche Präsenz nicht dazu benutzt werden wird, um die Interessen des nationalstolzen Landes in allen Bereichen durchzusetzen. Das Argument der Befürworter eines Beitritts lautet zumeist, dass es nur derart möglich sei, den Modernisierungsprozess der Türkei zu stabilisieren; das Land sich anderenfalls gar in bitterer Enttäuschung von Europa abwenden werde. Ich vermag nicht zu erkennen, warum eine demokratische Modernisierung nicht auch mittels einer „Privilegierten Partnerschaft“ erreicht werden kann.

Die „Privilegierte Partnerschaft“ ist dabei keine im Gemeinschaftsrecht verankerte und damit gleichsam rechtlich institutionalisierte Einrichtung, insofern kann ich nicht auf ein EU-Statut verweisen. Sie ist vielmehr ein Oberbegriff für eine Reihe von Maßnahmen, mit der die Union den wichtigen Handels- und Nato-Partner Türkei unterhalb der Schwelle der Mitgliedschaft aber oberhalb der Stufe der Assoziationsabkommen, die die EU beispielsweise auch mit Ländern wie Israel oder Ägypten geschlossen hat, dauerhaft an Europa binden möchte. Auch hier haben CDU und CSU die Maßnahmen, die sie im Blick haben, im Einzelnen klar benannt. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von der Erweiterung der bereits heute bestehenden Zollunion zu einer alle Gütergruppen umfassenden Freihandelszone, die mittelfristig auch auf Kapitalgüter ausgedehnt werden könnte, über eine Aufstockung der EU-Hilfsprogramme insbesondere im Bereich der Agrar- und Umweltpolitik bis hin zu einer verstärkten Kooperation in der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Damit würde kein Wolkenkuckucksheim gebaut, sondern den Menschen in der Türkei hier und heute geholfen. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Übrigen auch auf der Homepage der CDU Deutschland unter www.cdu.de, wenn Sie diese Internetseite mit dem Begriff „Privilegierte Partnerschaft“ durchsuchen.

Mit freundlichem Gruß
Ihr Thomas Strobl