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Thomas Strobl
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Thomas Strobl von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Strobl,

laut taz vom 24.3.06 erreicht die Kirchenaustrittsgebühr in Neudenau einen bundesweiten Rekord: 60 Euro!

Wie die Stadt mir mitteilte, wird dieser Betrag auch gefordert, wenn religionsmündige, mittellose Jugendliche aus der Kirche austreten wollen.

Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung wird verletzt,
wenn durch eine nachrangige Gebührensatzung die Wahrnehmung des Rechts auf Kirchenaustritt unmöglich gemacht wird.

Werden Sie den Landrat des Kreises Heilbronn in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde über die gesetzeswidrige Gebührensatzung der Stadt Neudenau informieren und in Abgeordnetenwatch das Ergebnis mitteilen?

Verantwortungsbewußte Eltern werden auf die Taufe verzichten,wenn ihren Kinder andernfalls später Nachteile entstehen.
Unabhängig davon: Wie wichtig ist für Sie die vom Grundgesetz geforderte rechtsstaatliche Ordnung?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Reth,

in Baden-Württemberg können nach Beschluss des Landtages Gemeinden und Landkreise für bestimmte öffentliche Leistungen Gebühren erheben. Die Festsetzung der Höhe der Gebühr, die bei der Amtshandlung eines Standesbeamten im Rahmen eines Kirchenaustrittsverfahrens entrichtet werden muss, fällt damit in die Zuständigkeit des Gemeinderates bzw. des Rates der Stadt. In dem von Ihnen angesprochenen Fall wird daher die Entscheidung nicht in Berlin, sondern in Neudenau getroffen. Gerne möchte ich Ihnen aber den Sachverhalt schildern, wie er sich nach meiner Auffassung darstellt.
Um die im Grundgesetz verankerte Glaubens- und Gewissensfreiheit zu gewährleisten, hat nach dem Gesetz jeder das Recht, aus einer Religionsgemeinschaft mit - wie es im Gesetz heißt - „bürgerlicher Wirkung“ auszutreten. Ein Austritt mit „bürgerlicher Wirkung“ bedeutet aber, dass der Austritt nicht für die Kirche, sondern allein für den Staat bindend ist. Der Standesbeamte wird deshalb auch nicht im Auftrag der Kirche, sondern im Auftrag des Staates tätig, was oft verwechselt wird. Folglich ist es auch nicht die Kirche, die eine Art „Austrittsgebühr“ erhebt, sondern die Gebühr entsteht letztlich aus den Kosten einer Amtshandlung (Aufnahme, Niederschrift, Mitteilung usw.), die freilich nicht nur im Falle des Kirchenaustritts, sondern in vielen Fällen mit einer Verwaltungsgebühr verknüpft ist. Ich glaube nicht, dass die Erhebung einer solchen Gebühr das von Ihnen angesprochene Grundrecht der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses nach Artikel 4 unseres Grundgesetzes einschränkt. Nach Auskunft der Gemeindeverwaltung Neudenau ist bislang der Fall auch noch nicht vorgekommen, dass wegen Zahlungsunfähigkeit eine Bearbeitung nicht erfolgen konnte.
Gerade weil für mich die Bindung des Staates an Gesetz und Verfassung und die Gewaltenteilung von höchstem Wert sind, kann ich als Mitglied des Deutschen Bundestages auch nicht eine von einem Gemeinderat beschlossene Gebührensatzung als „gesetzeswidrig“ erklären. Die rechtsstaatliche Verfasstheit der Bundesrepublik gibt Ihnen aber selbstverständlich die Möglichkeit, die Ausgestaltung der Gebührensätze durch die Gemeinde Neudenau gerichtlich prüfen zu lassen. Natürlich können Sie sich in dieser Frage zunächst auch an den Landrat des Landkreises Heilbronn, Herrn Detlef Piepenburg, wenden. Sie erreichen Ihn unter: poststelle@landratsamt-heilbronn.de .

Mit freundlichem Gruß
Thomas Strobl