Frage an Thomas Strobl von Heike R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Strobl,
allerorts lassen Politiker verlautbaren, dass uns ein Fachkräftemangel droht.
Was ich beobachte ist, dass hochqualifizierte Ausländer um Deutschland einen Bogen machen. Allerdings die Unqualifizierten und
Wirtschafts-/Armutsflüchtlinge. z.b aus Bulgarien, Rumänien und sonstwo, immer mehr werden.
Besorgnisse der Bevölkerung dazu werden damit abgetan, dass diese irgendeiner "Rattenfängerei" des rechten Lagers zugeschoben werden. EU Bürger haben ja augenscheinlich das Recht sich überall in der EU niederzulassen, es kann doch aber nicht normal sein, dass dieses Recht ausgenutzt wird und immer mehr Einwanderer in unsere Sozialsysteme kommen, die nicht in unseren Arbeitsmarkt integrierbar sind. Herr Strobel, dazu habe ich Fragen. Können Politiker sich vorstellen, dass gerade die augenscheinliche Ohnmacht etwas gegen die Zustände zu tun, erst die Fremdenfeindlichkeit anstachelt und Nazis dort einen Nährboden finden?
Was, ganz konkret und kurzfristig absehbar, wird die Politik tun, um dem Armutszuzug, vor allen aus Süd- und Osteuropa zu unterbinden? Ich empfinde die ausländerfeindlichen Vorgänge in Berlin Hellersdorf als schlimm. Aber wieso werden diese noch zusätzlich von Politikern "provoziert", wenn die dort wohnhafte Bevölkerung mehrheitlich gegen das Asylheim ist (wie ich den Medien entnommen habe sind die Pro-Demonstranten von auswärts Angereiste und gar nicht in Hellersdorf Lebende)? Wieso wird keine ehrliche offene Diskussion zu dieser Problematik geführt und weshalb werden Kritiker schon beim geringsten Versuch sich zu artikulieren von zumeist Linken in die rechte Ecke gedrängt? Kann sich die Politik in ihrem Elfenbeinturm eigentlich vorstellen, dass die Situation in Deutschland überhaupt erst die Ausländerfeindlichkeit entsehen lässt udn die rechtne nur aufsatteln?
Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
für Ihr Schreiben vom 23. August möchte ich mich recht herzlich bedanken. Ihre Sorgen kann ich gut nachvollziehen. Die Diskussion erachte ich als äußerst wichtig und ich verwahre mich gegen ungerechte Vorverurteilungen der Beteiligten. Eine sachliche Trennung darf hier jedoch nicht aus den Augen verloren werden: Die sog. "Armutseinwanderung" aus Ländern der Europäischen Union ist nicht zu vergleichen mit der Frage des Asyls für Verfolgte aus aller Herren Länder.
Das Asylrecht ist ein universales, d.h. auf der ganzen Welt gültiges Menschenrecht, welches gemäß Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jedem Verfolgten ermöglicht, in anderen Ländern Asyl zu suchen und zu erhalten. Asylberechtigt ist jeder, der wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung verfolgt wird. Derzeit verzeichnen wir hohe Zahlen an Asylbewerbern aus Syrien, Iran und Afghanistan aufgrund der dort herrschenden Konflikte. Aber auch aus Serbien und Mazedonien stammen viele Asylbewerber, deren Anträgen aufgrund des Fehlens oben genannter Verfolgungsgründe jedoch meist nicht stattgegeben werden.
Bei der "Wirtschafts- und Armutsmigration" geht es dahingegen um das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern. Ich begrüße, dass Deutschland sich vorbehaltlos zum europäischen Freizügigkeitsrecht als einer der großen Errungenschaften der europäischen Integration bekennt. Die Mehrzahl der Zuziehenden auch aus den neuen Mitgliedstaaten erfüllt die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts und ist hier hoch willkommen.
Aktuell wird jedoch eine Reihe von Landkreisen und Städten in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten durch die Folgen von innereuropäischer Mobilität belastet, welche nicht den Regeln der Freizügigkeit entspricht. Diese Berichte aus den betroffenen Kommunen über wachsende Belastungen durch Armutsmigration vorwiegend aus den neuen EU-Mitgliedstaaten müssen sehr ernst genommen werden.
Auf gemeinsame Initiative des Bundesministers des Innern mit seinen Amtskollegen aus Österreich, den Niederlanden und Großbritannien hat sich der Rat der Justiz- und Innenminister der EU im Juni mit dem Missbrauch des Freizügigkeitsrechts befasst und bis Dezember 2013 einen Bericht zu diesem Thema angefordert, um dann das weitere Vorgehen zu beraten. Aus unserer Sicht sollte dieser Bericht klare Empfehlungen für Maßnahmen gegen den Missbrauch des Freizügigkeitsrechts umfassen. Das schließt befristete Wiedereinreisesperren in bestimmten Fällen ein. Hier müssen wir zu einem einheitlichen Verständnis auf europäischer Ebene kommen.
Zugleich ist es von zentraler Bedeutung, die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen in den Herkunftsmitgliedstaaten zu verbessern, um Migrationsdruck zu mindern. Dabei geht es auch darum, die bereitstehenden EU-Fördergelder effektiver zu nutzen. Hier ist insbesondere die EU-Kommission gefordert, beim Abruf dieser Mittel zu unterstützen.
In der Hoffnung, Ihren Sorgen ein wenig entgegen getreten zu sein, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Thomas Strobl MdB