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Frage von Andreas S. •

Frage an Thomas Strobl von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Strobl!

Dem letzten Landesparteitag der CDU in Baden-Württemberg sind mehrere Anträge bezüglich einer Einführung einer 3%-Sperrklausel im Europawahlrecht vorgelegen. Leider kann ich nicht herausfinden, ob sie (wie von der Antragskommission empfohlen) angenommen worden sind oder nicht.

Halten Sie eine derartige Gesetzesänderung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur ehemaligen 5%-Klausel für zulässig? Beabsichtigen Sie, der Bitte, darauf hinzuwirken, (die sich – falls beschlossen – auch an Sie richtet) nachzukommen?

Nahezu wortgleiche Anträge mit genauso magerer Begründung kursieren auch in anderen Landesverbänden der CDU sowie in der CSU; das schaut also nach einer konzertierten Aktion aus. Ist Ihnen bekannt, wer das angestoßen hat? Die CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion scheint diese Forderung zumindest offiziell nicht zu vertreten.

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Sehr geehrter Herr Schneider,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Europawahlrecht, die ich Ihnen gerne beantworten möchte. Die Verzögerung ist u.a. dem Beschluss des Landesvorstands (s.u.) zuzurechnen, den ich in die Beantwortung einfließen lassen wollte.

Der Antrag zur Einführung einer 3%-Sperrklausel im Europawahlrecht wurde auf dem Landesparteitag der CDU Baden-Württemberg angenommen. Zudem wurde vor Kurzem vom CDU Landesvorstand beschlossen, ihn in die Bundestagsfraktion sowie beim Parteitag der Bundes-CDU Anfang Dezember einzubringen. Wie Sie sehen, beabsichtigen wir also in der Tat, auf diese Gesetzesänderung hinzuwirken.

Mit Ihrer Annahme, dass die Landesverbände in dieser Sache abgestimmt vorgehen, haben Sie vollkommen Recht. Denn entgegen Ihrer abschließend geäußerten Vermutung gehen die Anträge auf eine Anregung der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion zurück.

Weshalb nun also eine 3%-Sperrklausel, nachdem das Bundesverfassungsgericht die 5%-Hürde für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat?

Dies hat im Wesentlichen die folgenden Gründe:

·Kommen zahlreiche Parteien mit nur ein oder zwei Abgeordneten ins Europa-Parlament, droht die Zersplitterung der deutschen Kräfte dort. Das Bundesverfassungsgericht erwartet in seinem Urteil selbst eine Zunahme von Parteien mit ein oder zwei Abgeordneten "in nicht zu vernachlässigender Größenordnung". Die zu erwartende Uneinigkeit der Fraktionen zöge eine bedeutende Schwächung der deutschen Position in Gesetzgebungsverfahren nach sich. Dies gilt es zu vermeiden.

·Der Einzug zu vieler kleiner und heterogener Parteien würde darüber hinaus auch die Kompromissfindung im Parlament insgesamt deutlich erschweren. Für eine Einigung unter 751 Volksvertretern aus 27 Ländern braucht es verbindende Elemente wie die Zugehörigkeit zu einer Parteienfamilie (bspw. zur christ- oder sozialdemokratischen Parteienfamilie). Mit zahllosen Parteien, die keine Pendants aus anderen Ländern finden, ist die Funktionsfähigkeit des Parlamentes meines Erachtens ernsthaft in Frage gestellt.

·Und letztlich birgt der Verzicht auf eine Mindestanforderung an die Unterstützung einer Partei in der Bevölkerung die Gefahr des Einzugs extremistischer Kräfte. Die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil würde, wäre bei den künftig 96 deutschen Sitzen im Europäischen Parlament -- gemessen an der tatsächlichen Bedeutung dieser Kräfte in der deutschen Politik -- höchstwahrscheinlich unverhältnismäßig.

Mir ist wichtig, zu betonen, dass es sich nicht um einen Versuch handelt, etwa die Piratenpartei aus dem Parlament fern zu halten, denn diese hat ja schon bewiesen, dass sie bei Wahlen auch auf 10 Prozent und mehr kommen kann.

Unsere Überlegungen stehen nun dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegenüber. Dieses akzeptieren wir selbstverständlich, wiewohl ich mein absolutes Unverständnis darüber nicht verhehle. Es ist jedoch zu beachten, dass sich das Gericht nicht generell gegen eine Sperrklausel für die deutschen Europawahlen stellt. Vielmehr ist es dem deutschen Gesetzgeber erlaubt, zur Fortentwicklung der Europäischen Integration eine andere Gestaltung politischer Willensbildung zu gestatten, als sie das Grundgesetz für die deutsche Verfassungsordnung zulässt.

Somit erscheint uns die Einführung einer 3%-Hürde nach reiflicher Abwägung als eine angemessene und demokratisch gebotene Lösung, die der Integration der verschiedenen Interessen sowie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umfassend Rechnung trägt.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Strobl