Frage an Thomas Strobl von Axel P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Strobl,
ich nehme an, dass Sie der geplanten Beschränkung der Redefreiheit im Bundestag zustimmen wollen/müssen?! Wenn Sie diesem für einen Demokraten unerträglichen Maulkorb-Beschluß aber wirklich zustimmen wollten, bitte ich Sie hiermit um die Begründung dafür, die ich bisher nur in ganz kleinen Ansätzen verstehen kann (=natürlich muss es Spielregeln geben, sonst debattiert man -zig Stunden für jede Kleinigkeit).
Dass aber die Fraktionen bestimmen können, welche "Marionetten" die ausgegebene Richtung als ihre eigene Meinung kundtun sollen, und alle anderen, die nicht in Reih und Glied brav mit marschieren, vom Mikro fern hält, das ist mehr als undemokratisch. Wenn Sie dazu Bürgermeinungen im Internet lesen, dann werden Sie dort Vergleiche zur Gleichschaltung im 3. Reich und der DDR finden....
Ich sehe selbst als Bürger mit 63 Jahren darin
- eine schlecht getarnte Freiheitsbeschränkung,
- die gegen das Grundgesetz
- und den Auftrag von Bundestagsabgeordneten verstößt,
- die Parlamentarier mit einem illegalen Maulkorb versieht,
- um einen hanebüchenen Franktionszwang durchzusetzen.
Ich sehe darin eine echte Gefahr für die Demokratie gerade dort, wo sie eigentlich (noch) stattfinden sollte. Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass Sie mit solchen "Vereinbarungen" die Menschen zu Recht in die Arme von Piraten usw. treiben.
Natürlich muss es Spielregeln geben, sonst debattiert man -zig Stunden für jede Kleinigkeit. Wenn Sie dazu Bürgermeinungen im Internet lesen, dann werden Sie dort Vergleiche zur Gleichschaltung im 3. Reich und der DDR finden...
Die Rüge für N. Lammert vom Ältestenrat, dem Sie angehören, ist nur peinlich und zeigt eine Tendenz im politischen Geschehen, die einen denkenden Demokraten entweder
- verzweifeln lässt, oder
- radikal werden lässt.
Ich bin gespannt, auf welcher Seite Sie stehen.
Ich verbleibe mit der Hoffnung auf eine demokratische Lösung
Axel Petzold
Sehr geehrter Herr Petzold,
haben Sie vielen Dank für Ihre ausführliche Nachricht, die ich mit Interesse gelesen habe. Die Ihrige wie auch viele andere Zuschriften haben ein breites Missverständnis der geplanten Neuregelung der Geschäftsordnung offenbart. Im Allgemeinen wurde die bisherige Diskussion oftmals aufgrund falscher Vorstellungen oder fehlender Informationen über die geplanten Neuregelungen geführt. Aus diesem Grund möchte ich versuchen, einige Punkte klarzustellen.
Zunächst steht eine Abstimmung im Bundestag über die geplante Neuregelung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht an. Das Thema wird im Bundestag nun gründlich beraten werden, sodass der Inhalt des letztendlichen Beschlusses noch offen ist. Bisher haben wir uns im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung damit beschäftigt und einen Vorschlag unterbreitet.
Im Gegensatz zu einigen Pressemeldungen beabsichtigt dieser Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages keine Regelung, nach der Abgeordneten, die nicht die Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion teilen, das Wort in einer Plenardebatte verwehrt werden soll. Das Rederecht aller Abgeordneten ist verfassungsrechtlich verbürgt; dieses kann und soll durch die Geschäftsordnung des Bundestages überhaupt nicht aufgehoben werden.
Den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP im Ausschuss geht es stattdessen darum, eine Regelung für den Ablauf von Plenardebatten zu schaffen, die einerseits die Funktionsfähigkeit des Parlaments und andererseits das Rederecht jedes einzelnen Abgeordneten, egal welche Auffassung er vertritt, sicherstellt.
Nach der seit Jahrzehnten gut funktionierenden Parlamentspraxis benennen die Fraktionen die in ihrem Namen im Plenum sprechenden Abgeordneten, damit die Öffentlichkeit deren Standpunkte und Argumente aus erster Hand erfahren kann. Daneben gab es aber immer auch Fälle, in denen abweichende Abgeordnete das Wort außerhalb dieser Rednerlisten erhalten haben. Dies soll auch weiterhin möglich sein. Hierzu soll dem amtierenden Parlamentspräsidenten nach wie vor ein weiter Ermessensspielraum offen stehen und geschäftsordnungsrechtlich abgesichert werden. Der Geschäftsordnungsausschuss schlägt lediglich vor, dass sich der Präsident vor der Worterteilung an diese Abgeordnete mit allen Fraktionen „ins Benehmen setzt“. Dies bedeutet nicht, wie es jetzt oftmals zu lesen ist, dass der Präsident die Zustimmung der Fraktionen zu seiner Entscheidung benötigt.
Weil die Erteilung zusätzlicher Redezeiten in der Vergangenheit zu Streit geführt hat, wollen wir nun eine einheitliche Regelung treffen, nach der jedem Abgeordneten nach wie vor frei steht, zusätzliche Redezeit zu beantragen und der Bundestagspräsident nach wie vor über deren Zulassung entscheidet. Das Rederecht abweichender Kolleginnen und Kollegen wäre somit erstmals in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgesichert. Von einer "Maulkorb"-Verordnung kann keine Rede sein.
In der Hoffnung, mit diesen Ausführungen einige Ihrer Bedenken gemildert zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Thomas Strobl