Frage an Thomas Strobl von Thilo M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Strobl,
der Presseberichterstattung nach haben Sie als Vorsitzender des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung dafür gestimmt, dass Bundestagsabgeordnete keine freies Rederecht mehr besitzen, sondern nur noch dann reden dürfen, wenn ihre Fraktion es erlaubt. Ich beziehe mich folgende Presseberichterstattung darüber:
Rederecht im Bundestag: Fraktionen planen Maulkorb für Abgeordnete
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/rederecht-im-bundestag-fraktionen-planen-maulkorb-fuer-abgeordnete-1.1332338
Bundestag: Fraktionen wollen Rederecht der Parlamentarier einschränken
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,827499,00.html
Wie begründen Sie Ihre Entscheidung, sich selbst und ihren Bundestagsabgeordnetenkollegen einen Maulkorb zu verpassen? Degradieren Sie sich dadurch nicht selbst zum Stimmvieh?
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Mühlberger
Sehr geehrter Herr Mühlberger,
besten Dank für Ihre Nachfrage mit Blick auf die Presseberichterstattung über die geplante Änderung des Rederechts der Bundestagsabgeordneten. Ihre Zuschrift, wie die vieler anderer Bürger, die mich in den vergangenen Tagen erreicht haben, decken ein verbreitetes Missverständnis der geplanten Neuregelung der Geschäftsordnung auf. Lassen Sie mich daher schildern, worum es in der Neuregelung genau geht.
Im Gegensatz zu einigen Pressemeldungen beabsichtigt der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages keine Regelung, nach der Abgeordneten, die nicht die Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion teilen, das Wort in einer Plenardebatte verwehrt werden soll. Das Rederecht aller Abgeordneten ist verfassungsrechtlich verbürgt; dieses kann und soll durch die Geschäftsordnung des Bundestages selbstverständlich nicht aufgehoben werden.
Seit Jahrzehnten benennen die Fraktionen für jede Debatte einige Abgeordnete, die im Namen aller (also der Fraktion) im Plenum sprechen, damit die Öffentlichkeit deren Standpunkte und Argumente aus erster Hand erfahren kann. Daneben gab es aber immer auch Fälle, in denen Abgeordnete mit einer anderen Meinung das Wort außerhalb dieser Rednerlisten erhalten haben. Dies wird auch weiterhin möglich sein. Hierzu soll dem amtierenden Parlamentspräsidenten nach wie vor ein weiter Ermessensspielraum offen stehen und geschäftsordnungsrechtlich abgesichert werden. Der Geschäftsordnungsausschuss schlägt lediglich vor, dass sich der Präsident vor der Worterteilung an diese Abgeordnete mit allen Fraktionen „ins Benehmen setzt“. Dies bedeutet nicht, wie es jetzt oftmals zu lesen ist, dass der Präsident die Zustimmung der Fraktionen zu seiner Entscheidung benötigt; er soll diese lediglich informieren und eine Stellungnahme einholen.
Den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP im Ausschuss geht es darum, eine Regelung für den Ablauf von Plenardebatten zu schaffen, die einerseits die Funktionsfähigkeit des Parlaments und andererseits das Rederecht jedes einzelnen Abgeordneten, egal welche Auffassung er vertritt, sicherstellt. Weil die Erteilung zusätzlicher Redezeiten in der Vergangenheit zu Diskussionen geführt hat, wollen wir nun eine Regelung treffen, die jedem Abgeordneten das Vortragen seiner abweichenden Haltung im Parlament ermöglicht. Das Rederecht dieser Kolleginnen und Kollegen wäre somit erstmals in der Geschäftsordnung abgesichert. Von einer "Maulkorb"-Verordnung kann folglich keine Rede sein.
In der Hoffnung, mit diesen Ausführungen einige Ihrer Bedenken gemildert zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Thomas Strobl