Frage an Thomas Strobl von Thomas M. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Herr Strobl,
in der aktuellen "Zeit" [1] ist über Sie zu lesen: "Was die Grünen wollten, laufe auf eine schleichende Deindustrialisierung hinaus. Das politische Klima sei nicht mehr wirtschaftsfreundlich."
Ihre Aussage widerspricht jedoch den Einschätzungen der Firmen Daimler, Bosch und Porsche sowie zahlreichen Mittelständlern [2]. Zudem entstehen gerade im grün geprägten Tübingen zahlreiche neue Arbeitsplätze im Bereich Biotechnologie [3].
Schaut man sich die Historie Baden-Württembergs an, erkennt man, dass im Verlauf der 60er-, 70er- und 80er-Jahre ganze Branchen schließen mussten - noch lange vor der Gründung der Grünen. Prominenteste Beispiele sind hierbei die Textil-, die Feinmechanik- und Unterhaltungselektronikindustrie.
Zudem ist es interessant, dass die CDU bislang immer auf die Automobilindustrie gesetzt hat und die für die Wirtschaftskraft wichtige Schieneninfrastruktur vernachlässigt und gar zugelassen hat, dass diese systematisch zurückgebaut wurde. Der aktuelle Zustand z.B. des Schwäbisch Haller Stadtbahnhofs sowie der Abbau der Zabergäubahn [4] und Kochertalbahn [5] in der Vergangenheit sind nur wenige Beispiele ganz aus der Nähe ihres Wahlkreises.
Fragen:
Wer war für den Niedergang der erwähnten Branchen zuständig?
Werden Sie ihre Politik der Vernachlässigung der ländlichen Gegenden - insbesondere hinsichtlich dem Abbau von Schieneninfrastruktur - ändern?
In welchem Zusammenhang stehen die Großspenden der Automobilindustrie an die CDU und der systematische Abbau der Schieneninfrastruktur?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Müller
[1]: http://www.zeit.de/2012/15/Winfried-Kretschmann/komplettansicht
[2]: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.umfrage-suedwest-mittelstand-stellt-gruen-rot-gutes-zeugnis-aus.7d609845-2edc-4c7f-8c9c-46cdc56d60a4.html
[3]: http://www.tfrt.de/technologiegebaude-uberblick/biotechnologie-zentrum-tubingen-btz/
[4]: http://de.wikipedia.org/wiki/Zabergäubahn
[5]: http://de.wikipedia.org/wiki/Kochertalbahn
Sehr geehrter Herr Müller,
bitte verzeihen Sie die späte Reaktion auf Ihre Anfrage. Leider ist diese in den turbulenten letzten Monaten übersehen worden. Dennoch danke ich Ihnen für diese Zuschrift und möchte auf Ihre Fragen gerne eingehen.
Der ländliche Raum verdient unsere volle Aufmerksamkeit und muss insbesondere durch eine sinnvolle Stärkung der Infrastruktur gefördert werden. Davon ist die CDU sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene uneingeschränkt überzeugt. Dass der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid diese Ansicht nicht teilt, haben zuletzt seine unverschämten und beleidigenden Äußerungen gegenüber den Menschen auf dem Land mehr als deutlich gemacht: Wem es egal ist „ob es einen Bauern mehr oder weniger gibt“ oder „ob im Schwarzwald mal ein Tal zuwächst“, zeigt das er das Land und die dort lebenden Menschen abgeschrieben hat.
Wir wollen eine gute Infrastruktur, gerade auch im ländlichen Raum, weil die Verkehrswege die Lebensadern von Gesellschaft und Wirtschaft sind. Die Diskussion um Stuttgart 21 hat in aller Deutlichkeit gezeigt, wie die Grünen in Baden-Württemberg gute und sinnvolle Investitionen in Schienenwege mit Dagegen-Politik zunichte zu machen versuchen. Zum Glück haben da die Menschen im Land richtig entschieden und die Weichen auf Zukunftsfähigkeit gestellt.
Um ganz konkret die Schieneninfrastruktur auch weiter zu stärken, sind Investitionen dringend notwendig. Der Bundesverkehrsminister hat im Rahmen des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms 100 Millionen Euro zur Sanierung von Bahnhöfen bereitgestellt. Auch der von Ihnen angesprochene Bahnhof in Schwäbisch Hall wird davon profitieren. Andere längst geplante Ausbauvorhaben auf Schiene, Straße und Wasser, wie etwa die Frankenbahn, die A6 und die Neckarschleusen, verzögert nun aber die grün-rote Landesregierung und vergibt damit finanzielle Förderung, die durch die Bundesregierung bereits fest zugesagt war.
Sie erwähnen den Niedergang verschiedener Branchen in der Historie Baden-Württembergs. In meinen Augen ist es nicht Aufgabe der Politik, der Wirtschaft Vorschriften zu machen. Die soziale Marktwirtschaft, zu der wir uns bekennen, stellt sich generell gegen die Steuerung von Unternehmen durch staatliche Intervention. Der Wandel der Wirtschaftslandschaft ist damit ein natürlicher ökonomischer Prozess und nicht Ergebnis planerischer politischer Eingriffe. Ohne diesen wäre der Standort Baden-Württemberg nicht zu einer der innovativsten und wirtschaftsstärksten Regionen Europas, ja sogar weltweit, geworden. Gute Politik besteht meiner Ansicht nach nicht darin, den omnipotenten gesellschaftlichen Planer zu spielen, sondern darin, gute Voraussetzungen für eine vitale Entwicklung zukunftsfähiger Branchen zur Sicherung unseres Wohlstands zu schaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Thomas Strobl