Frage an Thomas Strobl von Ottmar M. bezüglich Recht
Novellierung Stasiunterlagengesetz
Guten Tag Herr Strobl,
warum verurteilt dieser sogenannte freiheitlich-demokratische Rechtsstaat einen kleinen Stasimitarbeiter de facto bis ans Ende seiner Tage, während Marinerichter und Ministerpräsident a.D. Filbinger, der im verbrecherischstem Regime, das je auf deutschem Boden herrschte, nicht nur bis „fünf vor zwölf“ sondern bis um zwölf seine „Pflicht“ erfüllte und Todesurteile aussprach, ein Staatsbegräbnis erhielt? In welchem Verhältnis steht es, wenn einem Mitarbeiter oder Spitzel der Stasi 30 Jahre nach dem Ende der DDR immer noch seine frühere Tätigkeit angelastet wird, während Filbinger und andere als ehrenwerte Bürger gelten? Die Führung des Staates, dem Filbinger als Richter diente, wurde wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Verschiedene Nazi-Generale wurden in der Bundesrepublik durch die Benennung von Kasernen geehrt. Wem wollen Sie denn nun vermitteln, dass ehemalige Stasileute über 30 Jahre für ihre früheren Überzeugungen oder Taten büßen sollen? Man kann stundenlang über die Methoden der Stasi disputieren. Die CIA gilt hier als enger Verbündeter. Es ist allgemein bekannt, dass die CIA in den 50-70er Jahren in zahlreiche politische Morde und Umstürze verwickelt war, blutige Diktaturen unterstützt hat. Der EU-Bauftragte Marty geht Foltervorwürfen gegen die CIA nach, vor kurzem wurde in diversen Medien berichtet, dass die CIA in Libyen Terroristen foltern ließ. Die CIA war und ist daran beteiligt, Terrorverdächtige auf Guantanamo jahrelang ohne Anklage festzuhalten und zu misshandeln. Warum wird die Stasi verteufelt,während man die CIA als befreundeten Dienst ansieht?
Warum werden Mitläufer in der DDR per Gesetz schlimmer behandelt, als höhere Chargen des Nazi-Regimes, die bis heute als ehrbare Leute gelten? Sie brauchen hier auch nicht die üblichen Formulierungen über die DDR und Stasi wiederholen (Unrechtsstaat, Diktatur usw.), ich habe in der DDR gelebt und vermag das besser als Sie einzuordnen.
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
für Ihre Frage zum Thema „Inneres und Justiz“ danke ich sehr. Es tut mir leid, dass ich nicht früher antworten konnte. Die zeitliche Verzögerung meiner Rückmeldung ist dem zuletzt enormen Termindruck, insbesondere im Zusammenhang mit Stuttgart 21, geschuldet. Ich hoffe, Sie sehen mir dies nach.
Zu Ihrer Frage:
In der Begründung zur Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes heißt es:
„Der Bedarf nach einer Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ergibt sich aus dem Ablauf der gesetzlichen Überprüfungsfristen und den sich wandelnden rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der Zugang zu den Stasi-Unterlagen gehört dabei zu den wichtigsten Instrumenten der Aufarbeitung. Das Bedürfnis nach Einsichtnahme in die Stasi-Unterlagen ist bei Bürgerinnen und Bürgern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Journalistinnen und Journalisten nach wie vor ungebrochen; die entsprechenden Antragszahlen bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Hinzu kommt, dass sich in der öffentlichen Debatte gezeigt hat, dass der gesellschaftliche Bedarf an Überprüfungen bestimmter Personengruppen auch in den kommenden Jahren andauern wird. Um das notwendige Vertrauen in öffentliche Institutionen und politische Gremien zu stärken, ist weiterhin Transparenz erforderlich.“
Soweit die Begründung, aus der sich auch die Konsequenz ergibt, dass man die Beschäftigung von Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR für unzulässig erklärt. Denn es ist insbesondere den Opfern der Stasi-Aktivitäten nicht zu vermitteln, warum ehemalige Stasi-Leute nun ausgerechnet in der Behörde tätig sind, die für die Aufarbeitung ihrer einstigen Unrechts-Handlungen zuständig ist. Das Wort vom Bock, den man zum Gärtner macht, träfe hier in vollem Umfang zu. Und das darf aus Gründen der Gerechtigkeit nicht sein. Dies hat nichts mit Hexenjagd oder ähnlichem zu tun, droht den Stasi-Mitläufern doch keinerlei juristische Konsequenz. Sie werden nicht bestraft, eingesperrt oder drangsaliert, und einer Beschäftigung außerhalb ihres bisherigen Tätigkeitsfeldes steht nichts im Wege. (Das ist im Übrigen ein großer Unterschied zu den Opfern der Stasi, die seinerzeit ihrer Rechte völlig beraubt und wirklich schikaniert wurden, was den Unrechtscharakter der DDR bestätigt, auch wenn Sie mir als Nicht-DDR-Bürger absprechen, ihn überhaupt beurteilen zu können.)
Insofern gehen Ihre weitergehenden Ausführungen meines Erachtens an Sinn, Zweck und Wirkung des Gesetzes vorbei und basieren leider auf einem Irrtum, den ich mit Hilfe meiner Ausführungen hoffentlich aufklären konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Strobl MdB