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Thomas Strobl
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Frage von Beate C. •

Frage an Thomas Strobl von Beate C. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Thomas Strobl,

im UN-Staatenbericht rügt die UNO die deutsche Sozialpolitik. Der Bericht steht im starken Kontrast zu der CDU/CSU-Broschüre „Dem Land geht es gut“. Hauptkritikpunkt der UNO ist die zunehmende Armut in unserem reichen Land. 13 Prozent der Deutschen leben unter der Armutsgrenze, sagt der Bericht. Zudem gewähre die Grundsicherung von Hartz-IV-Empfängern „keinen angemessenen Lebensstandard“. Als Abgeordneter sind Sie von uns gewählt, um die Interessen aller Bürger zu vertreten. Das ist das Privileg der repräsentativen Demokratie. Wir haben Ihnen unser Vertrauen gegeben!
Deshalb meine Fragen:

1. Wie ist es möglich, dass Sie Gesetzen zustimmen konnten, die ausschließlich einen Bruchteil der Bevölkerung begünstigt?

2. Die Regierung hat Beschlüsse gefasst, die dem Staat Milliarden Steuermindereinnahmen bescheren. Ich nenne hier nur die Stützungen der IKB und der Commerzbank. Die geheimen Absprachen zwischen Politik und Finanzwirtschaft wird von etlichen Seiten als „politische Korruption“ bezeichnet. In beiden genannten Fällen lag genügend belastendes Beweismaterial für eine Strafanzeige vor. Geschehen ist nichts. Was haben Sie gegen diese Vorgänge unternommen? Was gedenken Sie zu tun, um die im GG geforderte Rechtsstaatlichkeit wieder herzustellen?

Milliarden Steuergelder werden in geheimen Abmachungen verscherbelt, ohne dass wir Bürger auch nur ansatzweise etwas überprüfen könnten. Und das Kontrollgremium PARLAMENT unternimmt nichts, um unsere Interessen wahrzunehmen.

Wenn das Parlament – die Abgeordneten – weiter unsere Interessen so extrem ignorieren, müssen wir Ihnen das Vertrauen entziehen. Sie verwirken die Legitimation, in unserem Namen zu handeln. Das werden wir in den Wahlkreisen thematisieren, um die bereits beschädigte demokratische Grundstruktur des GG wieder herzustellen, denn auf kommunaler Ebene wirken sich die fehlenden Gelder besonders verheerend aus.

Mit freundlichem Gruß
Beate Liebers

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Clasen-Liebers,

für Ihre Anfrage zum Thema „Finanzen“ danke ich Ihnen.

Ich nehme Ihren kritischen Hinweis sehr ernst, dass die Menschen uns Politikern das Vertrauen entziehen werden, wenn sie den Eindruck gewinnen, wir würden nicht länger für ihre Interessen eintreten. Tatsächlich ist diese Interessenvertretung nach meinem Selbstverständnis die Kernaufgabe der Politik. Und ich bemühe mich mit ganzer Kraft, dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Allerdings möchte ich um Verständnis dafür werben, dass angesichts der Komplexität der Probleme, denen wir uns gegenübersehen, keine utopischen Erwartungen an uns herangetragen werden.

Eine solche utopische Erwartung wäre etwa die Annahme, alle Menschen hätten die gleichen Interessen und man könnte es bei hinreichend klugem Vorgehen schon irgendwie allen recht machen. Das ist nicht der Fall. In aller Regel sind gesellschaftliche Interessen verschieden, bisweilen sogar konträr, und man kann als Politiker allzu oft nur einer Seite gerecht werden, nicht mehreren Seiten gleichzeitig.

Hier heißt es für die Politik dann, abzuwägen und nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, welche Interessen für die Gesamtwohlfahrt eines Landes und seiner Einwohner bedeutender sind.

Dass uns dies in Deutschland gut gelingt, ist meine feste Überzeugung. Sie gründet auf dem Urteil von Fachleuten aus aller Welt. So lobte etwa der Internationale Währungsfonds diese Woche den Zustand Deutschlands und bescheinigte der Politik, bei der wirtschaftlichen Konsolidierung im Nachgang zur Finanzkrise auf gutem Weg zu sein, auf weit besserem als die meisten von der Krise betroffenen Länder (vgl. Artikel „IWF lobt deutsches Krisenmanagement“ im „Handelsblatt“ vom 13.07.2011, S.17).

So schlecht, scheint mir, hat es die Politik also, gerade in den letzten beiden Jahren, nicht gemacht.

Was ist dann aber von gegenteiligen Prognosen zu halten wie jener der UNO, auf die Sie sich beziehen und der zufolge die Armut in Deutschland zunimmt? Hier möchte ich die „Süddeutsche Zeitung“ zitieren, die hierzu - mit Blick auf die besonders schändliche Form der Kinderarmut - schrieb: „Wann gilt ein Kind als arm? Fragt man das drei Statistiker, erhält man am Ende vier Antworten, die sich eklatant unterscheiden. Fakt ist: Die Lage von benachteiligten Familien lässt sich dramatisieren oder beschönigen - je nachdem, welche Definitionen und Daten man heranzieht.“ (SZ vom 06.05.2011)

Damit hat die SZ völlig recht. So ist z.B. das vermeintliche Wachstum der Armut, auf das Sie mit Sorge hinweisen, auf den rein formalen Umstand zurückzuführen, dass die international gebräuchliche Definition für Armut einer Änderungstendenz unterliegt. Galt bisher als arm, wer weniger als 50 % des in einer Gesellschaft üblichen Durchschnittseinkommens zur Verfügung hatte, so gibt es inzwischen Empfehlungen, diesen Referenzwert auf 60 % zu erhöhen, womit sich rein rechnerisch ein sofortiger Armutsanstieg pro Land ergibt, obwohl kein einziger Bürger wirkliche Abstriche von seinem vorherigen Wohlstand machen musste. Dies sind nun zwar keine Statistiktricks mit Fälschungsabsicht, sondern wissenschaftlich begründbare Veränderungen einzelner Operationalisierungsindikatoren für Armut. Man muss sie aber schon zu lesen verstehen und darf bei Änderungen der Berechnungsgrundlagen keine Realtrends hineininterpretieren, die gar nicht vorliegen.

Wenn dies nicht berücksichtigt wird, passieren Fehler, wie sie selbst dem renommierten Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unterlaufen sind. Das DIW wies über einen langen Zeitraum hinweg die Kinderarmut in Deutschland irrtümlich - durch einen falschen Referenzwert - fast doppelt so hoch aus, wie sie wirklich war - mit fatalen Folgen. Dazu erneut die Presse vom 06.05.2011: „Peinliche Statistikpanne: Das DIW hat die Kinderarmut in Deutschland jahrelang zu hoch angelegt. Auf Grundlage der falschen Werte wurde eine Erhöhung des Kindergeldes beschlossen - die kostet den Staat jedes Jahr Milliarden.“

Ich könnte Ihnen viele weitere Beispiele solcher Statistikmängel nennen, die Politikerhandeln schlecht aussehen lassen (gerade auch im Zusammenhang der Bankenrettungspakete, die Sie kritisieren und m.E. absolut zu Unrecht mit dem Etikett „politische Korruption“ versehen, da es um die Spareinlagen der Menschen - auch von Ihnen - ging und nicht um die Rettung von Spitzenmanagern und ihren Boni). Ich hoffe aber, bereits mit den angeführten Beispielen deutlich gemacht zu haben, dass Zahlen über vermeintlich negative Entwicklungen erstens weder stimmen müssen, noch zweitens zwingend das Versagen von Politikern ausweisen. Hier sollten wir alle etwas skeptischer werden und vor einer abschließenden Bewertung möglichst viele Experten hören, um unsere Urteile auf eine objektive Basis zu stellen. Nur so haben wir die Chance, politisch das Richtige zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Strobl MdB