Frage an Thomas Strobl von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Strobl!
Im Januar haben Sie auf meine Frage zum Thema Wahlrecht geschrieben: "Gemeinsam werden wir uns bald schon auf erste Entwürfe einigen können, die dann auch öffentlich diskutiert und von Seiten des interessierten Publikums bewertet werden können." http://www.abgeordnetenwatch.de/thomas_strobl-575-37993--f243990.html#q243990
Davon war bisher wenig zu bemerken. Bekannt ist nur, dass Union/FDP vor langer Zeit ein interfraktionelles Gesprächsangebot der SPD ausgeschlagen haben und dass seit einigen Wochen in sich widersprüchliche Gerüchte über angebliche Eckpunkte von Union/FDP existieren, die sie nun (unter Ausschluss der Öffentlichkeit) den anderen Fraktionen verkaufen wollen ( http://www.das-parlament.de/2010/41-42/Innenpolitik/31782689.html , einige Artikel in der FAZ). Demnach könnte der Plan entweder die bloße Aufhebung der Listenverbindungen, getrennte Wahlgebiete, eine Oberverteilung auf die Länder oder sonstwas sein.
Nun steht bereits die Wahlkreiskommission kurz vor dem Abschluss ihrer Arbeit, die obsolet wird, wenn tatsächlich getrennte Wahlgebiete kommen, außer es soll z.B. das Land mit dem relativ stärksten Überhang 2009 (Saarland) 4 Wahlkreise bei 7 Mandaten (57%) bekommen und der Überhang damit noch verstärkt werden (mit einiger Wahrscheinlichkeit 2 von netto 7, also um ein Vielfaches jenseits der 5%-Grenze, die das Bundesverfassungsgericht noch für zulässig erachtet hat). Der Innenausschuss berät in seiner nächsten Sitzung über das kommunale Wahlrecht für Ausländer statt über das Bundestagswahlrecht.
Wird das "interessierte Publikum" also doch wieder nur irgendwann einen fertig ausgeklüngelten Gesetzentwurf präsentiert bekommen, der nur noch abgenickt wird, und die eigentliche Auseinandersetzung dann wieder auf die Wahlprüfungsverfahren verlagert? Für ein substanziell besseres Wahlrecht (Mehrmandatswahlkreise, supplementäre Bundeslisten o.Ä.) ist es wohl ohnehin schon zu spät. So hätte man das auch 2009 locker geschafft.
Sehr geehrter Herr Schneider,
für Ihre Anfrage bezüglich des Prozesses der Wahlrechtsreform danke ich Ihnen.
Den vom Bundesverfassungsgericht identifizierten Bedarf zur Änderung des bestehenden Wahlrechts nehmen wir sehr ernst und befassen uns seit dem Urteilsspruch innerhalb der Koalition intensiv mit möglichen Ausgestaltungsformen. Wir befinden uns derzeit in der Diskussion verschiedener Konzepte und arbeiten auf eine sachdienliche und verfassungskonforme Lösung hin, die nicht nur die Karlsruher Richter zufriedenstellt, sondern auch fraktionsübergreifend als richtig empfunden wird.
Zu bedenken bleibt jedoch, dass es sich bei der Wahlrechtsreform um einen sehr komplexen Prozess handelt, bei dem sich die Qualität unserer Arbeit erst im Detail beweist. Um dem gerecht zu werden, ist es notwendig, eine Vielzahl von Vorschlägen einer genauen Prüfung zu unterziehen, Korrekturen vorzunehmen und somit ein Konzept auszuarbeiten, das sowohl einer juristischen Prüfung als auch der kritischen Betrachtung durch die Öffentlichkeit standhält.
Entgegen der in meiner ersten Antwort geäußerten Annahmen dauern die Arbeiten daraufhin noch an.
Nur der guten Ordnung halber möchte ich abschließend den Hinweis geben, dass die federführende Bearbeitung dieses Themas bei den Innen- und Rechtspolitikern und nicht beim Ersten Ausschuss liegt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Strobl MdB