Frage an Thomas Strobl von Clemens J. bezüglich Soziale Sicherung
Tech..Betriebswirt IHK & Industriemeister Metall IHK
Ab 1969 war ich durchgehend Berufstätig als Fertigungsleiter,Betriebsleiter und ab 2002 bis 2007 als selbständiger. Aufgrund meiner Selbständigkeit wurden meine Beiträge in meine Arbeitslosenversicherung von 1969 bis 2002 gestrichen. 33 Beitragsjahre sind weg.
Sehr geehrter Herr Strobel,
Ich habe über 40 Jahre in die Sozialkassen eingezahlt. Nach über 250 Bewerbungen von Januar 2010 bis heute, musste ich feststellen, dass es für ältere überqualifizierte Arbeitnehmer keinen Bedarf mehr gibt. Warum bekommt man vom deutschen Staat für seine erbrachte Lebensleistung von über 40 Arbeitsjahren kein Dankeschön sondern als Dank bekommt man die Hartz IV- Armut. Ich habe mein Soll dem Staat gegenüber erbracht. Was man vom Staat im umgekehrten Sinn nicht behaupten kann.
Mein Geld hat der Staat immer gerne und sehr reichlich genommen, ich habe über 40 Jahre den Saat und die Sozialkassen unterstützt. Doch wenn man mal in die Bedürftigkeit abrutscht und sich aufgrund seiner ein-bezahlten Beiträge in das Sozialsicherungssystem auf der sicheren Seite glaubt, wird man vom Staat schnell eines besseren belehrt. Almosen bekommt man vom Staat für seine Lebensleistung zurück. Mir bleiben nach Abzug meiner Fixkosten von der Regelleistung gerade mal ca. 150 Euro zum leben. Davon muss ich dann Lebensmittel, Frisör, Schuhe bzw. Kleidung, Körperpflegemittel und alles was man so zum leben braucht bestreiten. Fixkosten; Strom, Telefon/Internet, Müll- bzw. Praxis-Gebühren, öffentliche Verkehrsmittel usw. Sonderausgaben wie Krebsvorsorge, prof. Zahnreinigung oder eine neue Brille sind unbezahlbar geworden.
Wie kann ein Staat so Menschenverachtende Gesetze erlassen, der sich ins GG Art. 1 schreibt! Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist angesichts der Hartz IV – Armut Gesetze der blanke Hohn und der blanke Zynismus. Warum werde ich mit denen gleichgestellt, die noch keinen Cent in die Sozialkassen einbezahlt haben?
C. Jaeckel
Sehr geehrter Herr Jaeckel,
lassen Sie mich zunächst mein Mitgefühl für Ihre Situation ausdrücken. Es ist ein bekanntes Problem, dass es älteren Arbeitnehmern bei Verlust der Arbeitsstelle häufig trotz ausgezeichneter Qualifikation nicht ohne größere Probleme gelingt, zeitnah ein neues Beschäftigungsverhältnis einzugehen. Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise, in denen viele Unternehmen wenige bis gar keine Einstellungen vornehmen, ist die Frustration über erfolglose Bewerbungen mehr als nachvollziehbar. Dass in solch einer prekären Situation, verbunden mit allen unangenehmen Folgen der Erwerbslosigkeit, Ärger und das Gefühl der ungerechten Behandlung aufkeimen, ist zutiefst menschlich.
Das Problem, dem wir uns stellen müssen und stellen werden, ist und bleibt die Tatsache, dass es ältere Mitbürger häufig an ihrer Qualifikation gemessen unverhältnismäßig schwer am Arbeitsmarkt haben. Ein wichtiges Anliegen unserer Politik ist es, diesen Missstand anzugehen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für eben diese Bevölkerungsgruppe zu erhöhen. Hierfür läuft unter anderem seit einigen Jahren sehr erfolgreich das Projekt „Perspektive 50Plus“ http://www.perspektive50plus.de/ , das genau dieser Problematik begegnen soll. Ziel muss es sein, den hohen Wert von qualifizierten, erfahrenen Fachkräften am Arbeitsmarkt zu stärken, womit sich das Kriterium des Alters relativiert und sich die Möglichkeiten, schnell eine Arbeitsstelle zu finden, deutlich erhöhen.
Erfreulicherweise lässt sich beobachten, dass viele Unternehmen diesen Gedanken bereits aufgenommen haben und sich ein Trend hin zur Einstellung älterer Leute abzeichnet. Dass die Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute vom Herbst 2010 einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung prognostiziert und somit der Bedarf an Arbeitskräften aller Voraussicht nach dauerhaft steigen wird, gibt weiteren Grund, positiv in die Zukunft zu blicken. Unsere Arbeitsmarktpolitik für Ältere wirkt. Wir erfüllen heute die Vorgaben des Lissabon-Prozesses der EU; die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 55- und 65-Jahren ist deutlich gestiegen.
Mit diesen Hinweisen will ich die mitunter schwierige Lage von arbeitlosen Mitbürgern nicht beschönigen und auch Ihre persönliche Situation nicht verharmlosen. Der pauschale Vorwurf an die Politik, sie würde die Lage dieser Menschen ignorieren oder verkennen, ist aber unrichtig. Die Koalition tut alles, was möglich und finanzwirtschaftlich verantwortbar ist, um die Lage arbeitsloser oder arbeitsunfähiger Mitbürger erträglich zu machen.
Es muss dennoch bedacht werden, dass die Arbeitslosenversicherung, das so genannte Arbeitslosengeld I, den klar formulierten Zweck hat, die kurzfristigen Folgen der Erwerbslosigkeit abzumildern und während der Arbeitssuche ein Einkommen zu sichern.
Dass nach einer an der Einzahlungszeit bemessenen Frist der Wechsel zum Arbeitslosengeld II, der sogenannten Grundsicherungsleistung, erfolgt, ist sowohl aus finanzpolitischer Sicht als auch vor Motivationshintergründen ein notwendiges Vorgehen. Bei der Grundsicherung handelt es sich um eine Unterstützung auf dem Leistungsniveau des soziokulturellen Existenzminimums, es wird hier also anders als beim ALG I kein Unterschied in Bezug auf die berufliche Vergangenheit des Empfängers gemacht. Dass dies mitunter schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensumstände der Betroffenen haben kann, ist sehr bedauerlich, lässt sich allerdings nur in einem begrenzten Rahmen abmildern, da die Bezahlbarkeit aller Maßnahmen immer Voraussetzung sein muss.
Unser Engagement zielt vor allem darauf, dass Arbeitslose rasch wieder eine Stelle finden. Damit wollen wir den Sorgen vieler Menschen vor Abstieg und Überforderung begegnen. Es gilt, marktgerechte Arbeitsplätze zu fördern, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Dies mag auf den ersten Blick nach einer sehr harten Linie klingen, leider existiert vor dem Gedanken der Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit aller Leistungen keine realistische Alternative.
Der Maßstab unseres Handelns bleibt das Prinzip des „Förderns und Forderns“. Die Eingliederung Älterer in den Arbeitsmarkt, wie in Ihrem speziellen Fall, scheitert jedoch häufig nicht an der mangelnden Motivation, sondern an ungünstigen Rahmenbedingungen. Der Staat muss hier genau so Hilfe leisten wie bei jungen, weniger qualifizierten Arbeitslosen, jedoch mit vollkommen anderen Maßnahmen, die besonders an den Strukturen des Arbeitsmarktes ansetzen und den Unternehmen Anreize bieten müssen, auf Expertise zu setzen und mitunter gezielt Arbeitsplätze für Ältere zu schaffen.
Sowohl aus demographischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen kann es sich unsere Gesellschaft nicht mehr erlauben, auf ältere Erfahrungsträger in den Betrieben zu verzichten. Es droht in den nächsten Jahrzehnten ein massiver Fachkräftemangel, dem wir mit allen Mitteln begegnen müssen. Auch die Wirtschaft ist gefordert, die betrieblichen Voraussetzungen so zu gestalten, dass sie einer alternden Gesellschaft gerecht werden, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ich bedauere zutiefst, dass Sie ausgerechnet in einer wirtschaftlich so angespannten Lage in diese kritische Situation geraten sind. Dennoch hoffe und wünsche ich Ihnen von Herzen, dass Sie wie so viele andere auch vom Anziehen der Konjunktur und den wachsenden Erfolgen unserer Maßnahmen profitieren können und schon sehr bald wieder eine Ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung finden.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Strobl MdB