Portrait von Thomas Strobl
Thomas Strobl
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Thomas Strobl zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ronny F. •

Frage an Thomas Strobl von Ronny F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Strobl,

vielen Dank für Ihre Antwort zum Thema Iran.

Ich möchte kurz nachhaken, Sie schreiben:
"Natürlich ist es "verboten", das Existenzrecht ... zu bestreiten! Und zwar in dem Sinne, dass die UNO jedem völkerrechtlich anerkannten Nationalstaat seine Existenz garantiert, um eine internationale Rechts- und Friedensordnung aufrechtzuerhalten. "

Frage dazu:
Im Jahr 2003 wurde der Irak völkerrechtswidrig (also ohne UN-Mandat) von den USA angegriffen, die Regierung gestürzt und das Land besetzt.
Wenn die UNO jedem völkerrechtlich anerkannten Nationalstaat seine Existenz garantiert, was hat die UNO unternommen, um damals das Existenzrecht des Irak zu schützen?
Nach unterschiedlichen Quellen sind durch die Folgen dieses illegalen Krieges der USA und Großbritanniens bis zu 1,3 Mio Menschen umgekommen, 4 Mio Iraker gelten heute als Vertriebene (Quelle http://www.uno-fluechtlingshilfe.de/?page=139 - http://www.focus.de/politik/ausland/irak-studie_aid_117249.html )

Frage:
Warum hat die UNO bzw. die Staatengemeinschaft nichts unternommen, um diesen Krieg zu verhindern, bzw. warum wurden die Nationen, die diesen vökerrechtswiderigen Krieg begingen, nicht dafür bestraft?

Zum Thema Präsident Ahmadinejad schreiben Sie:
"Seine anti-jüdischen Auslassungen etwa auf der UNO-Konferenz 2009, die von Frankreich und anderen europäischen Staaten mit einem empörten Auszug aus der Vollversammlung quittiert wurden, belegen unschwer sein von Hass geprägtes Denken."

Frage:
Welche anti-jüdischen Auslassungen sagte er denn??? Können Sie diese Aussage der "anti-jüdischen Auslassungen auf der UNO-Konferenz 2009" belegen?
Woher wollen wir eigentlich wissen, dass er "Hassreden" spricht, wenn unsere Parlamentarier seinen Reden gar nicht zuhören, sondern den Saal verlassen???

Sie hatten meine 4. Frage nicht beantwortet,

4. Haben Sie sich jemals unverfälschte!, ungeschnittene! und korrekt übersetzte! Reden von Präsident Ahmadinedschad angehört ?

Portrait von Thomas Strobl
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Franz,

gerne antworte ich auch auf Ihre Ergänzungsfrage vom 24.09.2010.

Unser großer deutscher Philosoph Immanuel Kant, der als geistiger Vater der UNO gilt, schrieb schon 1795 in seiner Abhandlung „Zum ewigen Frieden“, jeder Krieg sei darin schlecht, dass er mehr böse Menschen hervorbringe, als er aus der Welt schaffe. Nach diesem von tiefer und aufrichtiger Humanität durchdrungenen Grundsatz, der sich in der UNO-Charta an vielen Stellen wiederfindet und ein großartiges Erbe darstellt, das dieser herausragende Denker der Welt hinterlassen hat, ist auch der Irak-Krieg zutiefst zu bedauern. Und die von Ihnen erwähnten Opferzahlen dieses Krieges (über deren genaue Größe die Experten sich freilich heute noch streiten) gehen jedem mitfühlenden Menschen, also auch mir, sehr zu Herzen.

Dennoch ist keineswegs ausgemacht, ob Immanuel Kant diesen Krieg abgelehnt hätte. Aufgrund seiner Rationalität und Erfahrung war der Königsberger Gelehrte nämlich durchaus bei aller grundsätzlichen Friedensgesinnung von der Unausweichlichkeit gelegentlichen militärischen Konfliktaustrags in bestimmten, klar definierten Fällen überzeugt. Einer davon war Selbstverteidigung, und zwar nicht nur im Sinne akuter Gefahrenabwehr, sondern bereits präventiv. So unterstützte Kant z.B. die Kriegserklärung seines eigenen Landes Preußen an die Österreicher 1778, nachdem diese zuvor Bayern bedroht (aber noch nicht aktiv mit Krieg überzogen) hatten. Und eine ähnliche Motivation, nämlich die, einen Präventivschlag zu führen, noch ehe die Aggression des Gegners sich in grenzverletzenden Handlungen niederschlägt, machten die USA und ihre Verbündeten 2003 ebenfalls geltend, diesbezüglich durchaus mit Kant´schen Moral- und Logikkategorien konform gehend. Ihres Erachtens lag klar auf der Hand, dass der als Völkerrechtsbrecher mehrfach in Erscheinung getretene Saddam Hussein, dessen Land 2001 als einziges UNO-Mitglied die Terroranschläge vom 11. September nicht verurteilt hatte (womit er sie de facto guthieß), Pläne zur Bedrohung des Westens ventilierte und Ende 2002 kurz vor deren Verwirklichung stand. An der Absicht selbst gab es nie einen Zweifel in der Völkergemeinschaft, die vom verbrecherischen Charakter Saddam Husseins sattsam genug unterrichtet war, seit er seine eigene Bevölkerung mit Giftgas bekämpft und 1980 einen mehrjährigen, brutalen Krieg gegen den von Ihnen geschätzten Iran vom Zaun gebrochen hatte. Und so forderte die UNO in ihrer einstimmig gefassten Resolution 1441 vom 8. November 2002 die irakische Regierung unisono zur Demontage der Fabrikationsstätten für biologische und chemische Waffen auf und entsandte Inspektoren ins Land, um die Demontage zu beaufsichtigen.

Den USA ging diese Aufforderung indes nicht weit genug. Sie schätzten das Potential irakischer Massenvernichtungswaffen viel größer ein und entschieden sich mit einer Reihe von Verbündeten zu einem Präventivschlag. Für diesen Feldzug gab es dann zwar kein UNO-Mandat, weil Frankreich und Russland einen solchen Gewalteinsatz ohne weitere Nachforschungen ablehnten, es erfolgte aber auch keine Verurteilung des Krieges wie beim Einmarsch des Irak in Kuwait 1990 (UNO Resolution 660), denn selbstredend bestritten auch die Veto-Mächte im Sicherheitsrat den USA nicht, aus wohlverstandener Sorge um internationale (und eigene) Sicherheitsinteressen heraus zu handeln. Die von Ihnen vorgenommene Bewertung des Irak-Krieges als völkerrechtswidriger Handlung entspricht daher auch nicht der juristischen Logik und buchstabengetreuen Auslegung der UNO-Satzung und macht daher auch Ihre Frage nach der möglichen Bestrafung der USA irrelevant. Wo keine Verurteilung, da auch keine Bestrafung.

Verzeihen Sie bitte die Überlänge dieser Antwort, doch angesichts der hochgradig komplexen Thematik, wie sie die internationale Diplomatie nun einmal darstellt, wollte ich nicht Gefahr laufen, aus reiner Rücksicht auf bessere Lesbarkeit meiner Ausführungen die Zusammenhänge allzu verkürzt darzustellen. Ich hoffe auf Ihr Verständnis. Immerhin will ich nun auf Ihre verbleibenden zwei Fragen knapper eingehen.

Sie erkundigen sich nach den anti-jüdischen Hasstiraden Herrn Ahmadinedschads und fragen, worin diese bestanden haben. Dies will ich Ihnen gerne mitteilen. Acht Minuten nach Beginn seiner halbstündigen Rede auf der UNO-Konferenz gegen Rassismus am 20. April 2009 in Genf leugnete der iranische Präsident - wie schon mehrfach zuvor - den Holocaust. Er sprach mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg ausdrücklich vom „angeblichen“ Leid des jüdischen Volkes, das seines Erachtens so also gar nicht bestanden hat und reine Propagandaerfindung zur „Knechtung“ des palästinensischen Volkes ist.

Ich habe Ihnen schon in meiner letzten Antwort mitgeteilt, dass Holocaust-Leugner für mich keine ernstzunehmenden Gesprächspartner sind. Wer Fakten bestreitet, begibt sich des Rechts, als Diskutant auf Augenhöhe gewürdigt zu werden, weil es einfach sinnlos wäre, mit ihm zu debattieren.

Neben dieser faktenleugnenden Verbalentgleisung Ahmadinedschads, die übrigens dem Auszug der westlichen Parlamentarier unmittelbar vorausging und nicht, wie Sie insinuieren, ihm nachfolgte, gab es weitere Auslassungen anti-jüdischer Art. Sie wurden im Nachhinein selbst von jenen Konferenzteilnehmern als unerträglich eingestuft, die sich aus Höflichkeit verpflichtet gefühlt hatten, die Rede des iranischen Präsidenten bis zum Ende anzuhören (darunter etwa die Botschafter Großbritanniens und des Vatikans oder UN-Generalsekretär Ban). Diese Auslassungen über angebliche „zionistische Verschwörungen“ der westlichen Welt oder über das Judentum als vermeintliche „Quelle allen Rassismus´“ können Sie sich selbst anhören. Sie sind bequem zugänglich in dem von islamischen Sendern zur Verfügung gestellten Video der Ahmadinedschad-Rede, das eine englischsprachige, präzise Simultanübersetzung beinhaltet (die von Iran-Freunden vorgenommen wurde, vgl. http://www.youtube.com/watch?v=LL5OsaVYz1I&feature=related ). Damit dürfte auch Ihre Frage nach Quellen und Zugang zu „ungeschnittenen, unverfälschten“ Reden des iranischen Präsidenten beantwortet sein.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Strobl MdB