Frage an Thomas Strobl von Muharrem D. bezüglich Bildung und Erziehung
Wie kann es sein, dass seit der Einführung von Studiengebühren und der gleichzeitigen Einfuhr des Bachelorstudiums, dass die Anzahl der Lehrveranstaltungen verringert wurden? (Betrifft die Hochschule Heilbronn)
Wie kann es außerdem sein, dass von diesem Geld, die Professoren (z.B. für Labore) wenig oder überhaupt nichts sehen?
Außerdem ist die Hochschule gezwungen, mehr Studenten aufzunehmen, als sie kann, weil es mitlerweile so geregelt ist, dass umso mehr Studenten eingeschrieben werden, es mehr Geld für die Hochschule gibt. Eine optimale Vorlesung ist dadurch nicht mehr gewährleistet, wenn Studenten im Hörsaal stehen müssen!
Die Qualität der Lehre sollte doch für ein Land wie Deutschland von höchster Güte sein. Vor allem in diesen schwierigen Zeiten. Leider sehe ich seitens der Politik wenig Unterstützung. Ausreden habe ich schon diverse von Frau Schavan gesehen.
Beste Grüße
M. Dolunay
Sehr geehrter Herr Dolunay,
recht vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Bildung und Kultur“.
Bildung ist die wichtigste Ressource, über die unser Land verfügt, ja die einzige, die es selbst herstellen kann. Sie hat deshalb enorme Bedeutung für Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger. Bildung ist ein Kapital, in das zu investieren sich nicht nur lohnt, sondern das zu vermehren geradezu Pflicht ist.
Im Regierungsprogramm der CDU ist deshalb der Bildung auch höchste Priorität eingeräumt. Die von Ihnen, Herr Dolunay, geäußerte Sorge vor wachsenden Problemen auf dem hochschulischen Sektor trifft sich insofern genau mit unseren Bemühungen, solche Probleme anzupacken und zu lösen. Bildung hat wie jede Form von Qualität ihren Preis. Machen wir uns doch einmal die Dimension der benötigten Finanzmittel deutlich, um das Problem nicht im luftleeren Raum zu diskutieren. Ein Studienplatz kostet pro Jahr zwischen 20.000 und 40.000 €. Dieses Geld bereitzustellen angesichts der vielen anderen Aufgaben des Staates (Sozialpolitik, Gesundheitswesen) fällt schon unter normalen Umständen nicht leicht. In Zeiten der wirtschaftlichen Flaute, wo die öffentlichen Kassen leer sind, wird es vollends zur Herkulesaufgabe, die nur schwer zu stemmen ist. Dennoch gelingt die Aufgabe ganz gut, wie sich an einem wichtigen Indikator ablesen lässt: Der Behauptung der Hochschulen am Markt.
Auf jedem anderen Sektor nämlich sind im Zuge der Weltwirtschaftskrise seit 2008 zahlreiche Unternehmen zusammengebrochen, Handelsketten wurden aufgelöst und selbst renommierte Firmen der verarbeitenden Industrie sind von akuter Schließung bedroht (gewesen), z.B. Opel. Hunderttausende Menschen befinden sich in diesen Branchen in Kurzarbeit und haben Angst, dass ihr Arbeitsplatz ganz verloren geht, ehe die Krise vorbei ist.
Und wie sieht es demgegenüber mit den Hochschulen aus? Im Vergleich ganz gut. Sie behaupten sich gegen alle Widerstände, und keine einzige alma mater ist von Auflösung bedroht, wie etwa Arcandor, Karstadt oder der Quelle-Konzern im Kaufhausbereich.
Warum wohl? Weil der Staat seiner Verpflichtung nachkommt und tatsächlich Bildung wichtiger nimmt als andere Politikfelder. Selbst in prekärster Finanzlage stellt er dem Hochschulbetrieb beträchtliche Finanzmittel zur Verfügung. Dies beweist, glaube ich, schon, wie ehrlich es die Politik mit der Bevorzugung der Bildung meint. Wenn es dann trotzdem nicht reicht, alle Probleme zu lösen, sind das keine „Ausreden“, von denen Sie sprechen und die Sie Bildungsministerin Schavan vorwerfen.
Inwieweit Managementfehler vor Ort dazukommen und das Problem unnötig verschlimmern, wie Sie das für Heilbronn vermuten, kann ich als Außenstehender nicht beurteilen. Dies müsste im direkten Kontakt mit der Hochschule geprüft werden. Dazu bin ich übrigens gerne bereit. Wenn Sie Belege dafür haben, dass in Heilbronn Gebühren zweckentfremdet und fehlgeleitet werden, dann werde ich mich des Falles annehmen und mich dafür stark machen, dass man die Missstände schnellstmöglich behebt.
Klar muss aber eines sein, und das gilt grundsätzlich: Wenn Bildung nicht nur in Heilbronn, sondern in Deutschland insgesamt Zukunft haben soll, wird sie längerfristig, also auch nach Überwindung der Wirtschaftskrise, auf eine finanziell solidere Basis gestellt werden müssen. Das aber heißt: Mehr als bisher müssen jene Gruppen am Ganzen „mitbezahlen“, die Hauptnutznießer der Bildung sind, also die Studenten.
Dies hat in anderen Ländern längst Tradition. In Großbritannien und in den USA etwa sind überfüllte Hörsäle und unzureichende Laborausstattungen unbekannt, aber nur deshalb, weil die Universitäten hier schon lange Studiengebühren verlangen dürfen, die weit über dem liegen, was wir in Deutschland eingeführt haben. An vielen dortigen Universitäten müssen 80 % oder mehr der Studienplatzkosten vom Studenten selbst getragen werden (wobei natürlich über Stipendienregelungen garantiert wird, dass auch begabte Kinder aus einfachen Verhältnissen die Kosten tragen können. Bildung darf kein Privileg der Reichen sein und ist es dort auch nicht).
Der hinter dieser angelsächsischen Tradition erkennbare Grundsatz, dass was nichts kostet, nichts wert ist, besitzt eine Wahrheit, die unbequem ist, aber auch vor unseren Hochschulen nicht halt macht. Dies sollte jeder im Hinterkopf haben, bevor er wieder mal über einen überfüllten Hörsaal klagt. Er sollte sich stattdessen fragen, was er selbst dazu beitragen kann, dass es anders wird.
Als wenig konstruktiv kann ich es demgegenüber nur ansehen, wenn die SPD den entgegengesetzten Kurs einschlägt und ein gebührenfreies Studium fordert, wie es längst keine Zukunft mehr hat. Die SPD weiß das auch selbst, oder wie sonst ist zu erklären, dass sie für ihre Werbeaktion „gebührenfreies Studium“ in Nordrhein-Westfalen ausgerechnet eine junge Genossin als Plakat-Model ausgesucht hat, die im echten Leben an der Hochschule Dublin studiert und 24.000 € Gebühren im Jahr bezahlt, was in Deutschland für 47,8 Semester reichen würde (vergleiche dazu den Hinweis unter: http://blog.reif.org/2009/08/ein-dickes-ups-im-wahlkampf-plakat-model-wirbt-gegen-studiengebuhren-studiert-aber-selbst-an-privatunis/).
Für deutsche Linke darf aus ideologischer Verblendung offensichtlich zuhause nicht sein, was sie sich in der Fremde kritiklos gefallen lassen, nämlich Geld zu bezahlen für das Studium, weil nur so die Qualität der Bildung gewahrt werden kann.
Ich hoffe, Sie machen sich Ihren Reim auf diese Doppelmoral, Herr Dolunay, und vertrauen auch in der (Bildungs-)Politik nicht vorschnell jenen, die die populärsten Versprechungen machen. Links blinken, aber rechts abbiegen, das ist kein guter Weg in die Zukunft! In diesem Sinne, alles Gute für Ihr Studium.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Thomas Strobl MdB