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Thomas Strobl
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Frage von Luis Alberto Fernández V. •

Frage an Thomas Strobl von Luis Alberto Fernández V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

während das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 03.07.08 erklärt hat, daß der Gesetzgeber spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung [des Wahlrechts] zu treffen habe, hat dasselbe Gericht in seinem Beschluß vom 09.02.09 erklärt, daß die Wahl unter dem geltenden Recht verfassungswidrig sei. Die Redewendung "spätestens bis zum 30. Juni 2011" heißt für mich als Bürger, daß die Neuregelung wesentlich früher getroffen werden kann. Darauf hat nicht letzten Endes der Präsident des Bundestages, Herr Dr. Norbert Lammert, hingewiesen.

Man kann also an dieser Stelle zwei Gegenstände anfechten: einerseits das Wahlrecht, andererseits die Wahl selbst.

Und so wie es aussieht, wird die Bundestagswahl am 27.09.09 für ungültig erklärt, weil sie verfassungswidrig ist. Außerdem kommen noch andere Faktoren hinzu, die die Wahl ungültig machen, welche der Wahlprüfungsausschuß zu vertreten hat.

Sehen Sie die kommende Bundestagswahl sowie auch die kommenden Landtagswahlen gefährdet, weil sich der Gesetzgeber nicht an die verfassungsmäßige Ordnung gemäß Art. 20(3) GG gebunden fühlt und er sich nicht die geringste Mühe gibt, auf diesem nicht unwichtigen Gebiet ordentliche Verhältnisse im Land walten zu lassen? Ist das Ihre Vorstellung von "Ordnung" in Deutschland?

Denn ich habe den Eindruck, daß die Parlamentarier die verfassungsmäßige Ordnung nicht ernst genug nehmen. Schauen Sie doch die Antworten Ihrer Kollegin Halina Wawzyniak, die als Kandidatin des 17. Bundestags Ihre Auffassung zu teilen scheint.

Für eine aussagefähige Antwort wäre ich Ihnen sehr verbunden. Damit schließe ich mich den Fragen von Herren Schneider und Kossatz an.

Mit freundlichen Grüßen

Luis Fernández Vidaud

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Vidaud,

für Ihre Anfrage zum Thema „Demokratie und Bürgerrechte“ danke ich Ihnen.

Gerne will ich versuchen, die gewünschte „aussagefähige Antwort“ zu geben.

Zunächst muss ich Sie aber auf einen Irrtum hinweisen, dem Sie unterliegen. In dem von Ihnen zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2009 wird nicht davon gesprochen, dass die bevorstehende Wahl zum Bundestag verfassungswidrig sei. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass bestimmte Elemente des gegenwärtigen Wahlrechts (Regelung der Überhangmandate, Problem des negativen Stimmengewichts) verfassungswidrig sind. Das ist aber nichts Neues, da genau diese Wahlrechtsmängel schon im Urteil vom 03.07.2008 festgestellt wurden. Das Gericht hat ja überhaupt nur deswegen die Forderung erhoben, ein neues Wahlgesetz bis spätestens 30.06.2011 zu erlassen, weil das jetzige als für die Zukunft unzureichend einzustufen ist. Und zwar insofern, als das Wahlrecht zu verfassungsrechtlich problematischen Ergebnissen führen kann (nicht muss!), die eine Ungültigkeitserklärung der gesamten Wahl nach sich ziehen könnten.

Was nun die Gültigkeit speziell der kommenden Bundestagswahl angeht, ist darüber in diesem Urteil keinerlei Aussage getroffen. Im Gegenteil impliziert gerade die für die Wahlrechtsreform eingeräumte Übergangszeit, dass ein in dieser Phase nach dem alten Recht durchgeführter Urnengang sehr wohl verfassungskonforme Ergebnisse zeitigen kann (wie er das die letzten 60 Jahre über ja auch stets getan hat).

Ob das Verfassungsgericht nach der Wahl in Kenntnis dann vielleicht eingehender konkreter Klagen wegen der Überhangmandate anders entscheidet, wird sich zeigen. Eine Vorhersage verbietet sich wegen des rein spekulativen Charakters von selbst (noch ist ja nicht sicher, ob es überhaupt Überhangmandate geben wird, und wenn ja, ob das denkbare negative Stimmengewicht bei ihrem Zustandekommen eine Rolle spielte). Ich werde mich an solchen Spekulationen deshalb auch nicht beteiligen, sondern zunächst abwarten, wie und was der Souverän, der mündige Bürger, am 27. September entscheidet.

Nun zu Ihrer Behauptung, der Gesetzgeber fühle sich nicht an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Diese Annahme ist völlig unzutreffend. Gerade weil uns Parlamentariern im Gegenteil die Verfassung sehr wichtig ist, lehnen wir gesetzgeberische Schnellschüsse ab, besonders in der so heiklen Wahlrechtsfrage. Wir gehen mit höchster Sorgfalt vor, die unser Grundgesetz verdient hat, und nehmen dazu die nicht zufällig vom Verfassungsgericht eingeräumte lange Beratungszeit in Anspruch.

Dieser Erkenntnis gemäß zu handeln, ist in der Tat meine Vorstellung von „Ordnung“ in Deutschland. Ich weiß mich darin übrigens mit der überwältigenden Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen einig und erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die in historischem und internationalem Maßstab beeindruckende Stabilität unserer bundesdeutschen Demokratie eine ihrer Ursachen nicht zuletzt in eben diesem Ethos ihrer Parlamentarier hat. Deren große Mehrheit handelte seit der Konstituierung des ersten Bundestages vor genau 60 Jahren vorausschauend, verantwortungsbewusst und grundgesetzkonform und tut genau dies noch heute.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Thomas Strobl MdB