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Thomas Strobl
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Frage von Alexander R. •

Frage an Thomas Strobl von Alexander R. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Strobl,

Ihre Partei befürwortet den Lissabonvertrag.
Wie stehen Sie zu den Aussagen der EMRK:

Artikel 2 des Protokolls Nr.6 zur Europäischen Menschenrechtskonvention:
"Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden..."
a) Artikel 2 Absatz 2 Europäische Menschenrechtskonvention: "Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen"

Sind diese Artikel direkt oder indirekt Bestandteil des "Vertrages von Lissabon"?
Warum wurden diese Zeilen, wenn veraltet, nicht gestrichen?
Bereitet sich die EU auf Aufstände und daraus folgende
"Standrechtliche Erschießungen" ect. vor?

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Ramm

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ramm,

herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema „Innere Sicherheit und Justiz“. Ihre Sorge, es könne über die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon gewissermaßen durch die Hintertür wieder zur Einführung der Todesstrafe in Europa kommen, ist gottlob unbegründet. Im Folgenden will ich gerne darlegen, warum:

Seit Monaten wird in der öffentlichen Diskussion auf die von Ihnen angedeutete Möglichkeit hingewiesen und mit dem vorgesehenen Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Menschenrechtskonvention begründet. Diese enthalte Bestimmungen, wonach die Todesstrafe unter gewissen Umständen erlaubt sein soll.

Dies ist so nicht richtig. Mit dem Protokoll Nr. 6 zur EMRK von 1983, auf das Sie Bezug nehmen, wurde im Gegenteil die Todesstrafe in den Vertragsstaaten der EMRK ausdrücklich abgeschafft. Sie blieb zwar nach Artikel 2 Satz 1 dieses Protokolls, wie Sie richtig zitieren, zulässig für „Taten welche in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden“.

Entscheidend aber ist: Diese Formulierung hatte nie eine praktische Relevanz. Sie war lediglich ein völkerrechtlicher Vorbehalt, der einigen Staaten für den Kriegsfall eingeräumt werden musste, weil sie ohne ihn der ganzen Konvention (und damit der prinzipiellen Abschaffung der Todesstrafe) nicht zugestimmt hätten. Dies hätte rechtspolitisch größere Unsicherheit bedeutet als die von Ihnen monierte salvatorische Klausel in Protokoll Nr. 6.

Hinzu kommt, dass Protokoll Nr. 6 mittlerweile überholt und durch Protokoll Nr. 13 zur EMRK von 2002 ersetzt ist, das Ihnen noch nicht bekannt zu sein scheint. Dieses jüngere Protokoll beseitigt die Einschränkungen seines Vorläufers vollständig und schafft damit die Todesstrafe endgültig und ausnahmslos ab.

Alle EU-Mitgliedstaaten haben das Zusatzprotokoll Nr. 13 unterzeichnet,
die meisten haben es auch schon ratifiziert (Deutschland z.B. am 1.
Februar 2005). Lediglich in Italien, Lettland, Polen und Spanien steht
dieser formale Akt der Rechtsetzung noch aus, was bedeutet, dass hier
vorläufig Protokoll Nr. 6 weiter gilt.

Das heißt aber keinesfalls, dass in diesen Mitgliedstaaten mit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und einem Beitritt der EU zur
EMRK die Todesstrafe wieder eingeführt würde. Mit dem Vertrag von
Lissabon wird nämlich gleichzeitig die Charta der Grundrechte der
Europäischen Union rechtsverbindlich. Und in Art. 2 der
Grundrechtecharta ist das Recht auf Leben explizit verankert, wonach
gem. Art. 2 Abs. 2 "Niemand zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet
werden darf".

Dies ist eine klare und eindeutige Aussage gegen die Todesstrafe und hebelt alle anders lautenden Bestimmungen des Protokolls Nr. 6 definitiv aus.

Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben diesen Bestimmungen uneingeschränkt zugestimmt und wenden sie in der Praxis bereits heute an.

Im Übrigen gibt es eine letzte Sicherung gegen die Todesstrafe in unserem nationalen Recht, das bereits nach Art. 102 GG die Todesstrafe 1949 abgeschafft hat. Eine Wiedereinführung, selbst wenn sie auf EU-Ebene erwogen werden sollte (was, wie ich noch einmal betonen möchte, nirgendwo der Fall ist), scheiterte am deutschen Verfassungsrecht und hätte keinen Bestand. Ein solcher Beschluss widerspricht nämlich dem nicht veränderbaren Grundrecht auf Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) bzw. dem Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und ist damit ohne jede Realisierungschance.

Was immer uns also die fortschreitende Integration Europas an Veränderungen bringen wird, die Rückkehr der Todesstrafe wird nicht darunter sein – garantiert.

Ich hoffe, Ihre Bedenken damit zerstreut zu haben, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Thomas Strobl MdB